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Abendessen forderte der Kaiser Albertum Magnum auf, doch mit einigen seiner Künste sich sehen zu lassen. Albertus nahm, ohne sich lange zu besinnen, einen Humpen des schönen Rheinweines, der auf der Tafel stand. Er sprach einige unverständliche Worte, und im Augenblicke züngelten blaue Flammen aus dem Humpen empor. Als er darauf den Wein hoch hinan zur Decke goß, wurde aus jedem Tropfen ein buntes Vögelein, welches umherflatternd gar lieblich sang. Alle ergötzten sich daran, doch verwandelte sich dies bald bei des Kaisers Gefolge in eitel Verdruß. Als die Herren weiter trinken wollten, schlug ihnen nämlich die helle Flamme aus dem Humpen entgegen. Der Kaiser hatte seinen größten Spaß daran.

Darauf umschritt Albertus einige male feierlich die Tafel, und gleich darnach sah man anstatt der dürftigen Speisen des kalten Winters die lieblichsten Gerichte des Sommers vor sich in reicher Fülle ausgebreitet. Nicht gewarnt durch den ersten Spuk, griffen alle voll Eifers zu. Im Augenblick verschwand Albertus und mit ihm alle Herrlichkeiten der Tafel. Statt dessen gab’s einen lustigen Anblick, als nun die Ritter sich gegenseitig ansahen. Der eine hatte des anderen Nase gepackt, der andere kaute an des nächsten Fingern, und einige hatten sich sogar an die Zipfel der Mäntel gemacht. Am schlimmsten war aber des Kaisers Narr beraten. Er kauerte unter der Tafel und hatte eines Hundes Schweif im Munde stecken. Wie ärgerlich Jedem sein Irrtum auch war, so mußten doch endlich alle lachen über den Streich, der ihnen wiederum gespielt war.

Anderen Tages besuchte der Kaiser mit sämmtlichen Herren Albertum im Kloster. Nachdem man sich dort alles angesehen hatte, erbot sich der Gelehrte, ihnen auch noch seinen Blumengarten zu zeigen. Es war so kalt, daß alles vor Frost zitterte; so konnten die Herren denn nicht anders, als mit lautem Spott diesen Vorschlag aufnehmen. Aber eine Pforte that sich auf, und durch sie gelangten Alle in den lieblichsten Blumengarten. Von süßem Dufte umgeben, flatterten seltsame Vögel lustig in den grünen Zweigen und sangen auf’s schönste. Auch Springbrunnen gab’s da, aus denen Wasserstrahlen hoch emporschossen und sich im reichen Sonnenscheine wiederspiegelten. Voll Freude und Staunen über alles, was sie erblickten, gingen einige der Herren auch näher heran und pflückten sich die schönsten Blumen ab. Am fröhlichsten war des Kaisers Narr. Er hatte seine

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Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/224&oldid=- (Version vom 1.8.2018)