einer dritten Thür, die seinen reichsten Schatz barg, wie er meinte. Kein Erstaunen kommt dem gleich, welches mich beim Betreten dieses Gemaches erfaßte. Ja, der Schatz, den wir hier fanden, war wohl des höchsten Preises wert. Wohl kein Gewinn konnte mit ihm verglichen werden. O, er vermochte Sorgen zu zerstreuen, Mannesmut zu stählen und Herzen zu erfreuen. Fünfzehn Frauen in holder Schöne saßen im Kreise dort. Die Krone der Jugend und edlen Sittsamkeit zierte ihre Häupter. Wie viel Treue und Güte, Bescheidenheit und Huld leuchtete mir aus ihren Augen entgegen, wenn auch trüber Kummer ihren Glanz verschleierte! Vor allen aber trug eine der Schönheit Preis an sich. Voll stiller Hoheit erschien sie mir wie der Mond unter Sternen. Man sah es wohl, daß sie die geborene Fürstin war. Die Frauen trugen keine Ketten, auch zeigten sie viel Ergebung und Geduld, doch erfüllte mich ihr Anblick mit tiefstem Mitleid.
Stranmur führte mich hinweg. „Sahst Du Dir alles an,“ sagte er, „und bist Du bereit, zu tauschen?“ „Womit soll ich tauschen?“ entgegnete ich, „ich sah nur, was mir voll Erbarmen das Herz zerschnitt.“ „Jene alle, die ich Dir eben als meine Gefangenen zeigte, will ich in Deine Hände geben, so Du mir dafür Deine Schätze eintauschst“, sprach hierauf Stranmur, der harte Mann; „mir ist ihr Heimatsland zu weit gelegen, nimm Du sie mit Dir. Hohes Lösegeld wird man Dir gern für sie geben. Mit Gold und edlem Gestein wird man sie Dir aufwiegen zu Köln am Rheine. Du siehst wohl, es ist ein guter Kauf.“
„Wie aber kam’s, fragte ich, daß diese Fremdlinge in Deine Gewalt fielen?“
„Kennst Du Engelland?“ sagte er; „dort sind die werten Ritter alle geboren. Daß sie so weit hierher verschlagen wurden, ging folgendermaßen zu. Sie begleiteten den reichen König Wilhelm nach Bergen im norwegischen Reiche, wo dieser König Reinmunds Tochter zum Weibe empfing. Du sahst sie sitzen, die schöne Frau inmitten ihrer vierzehn Begleiterinnen. Der Sturm warf sie auf ihrer Fahrt an diesen Strand mit vier und zwanzig Rittern, den besten Engellands. Dieser Strand und dieser Hafen ist mir zu eigen gegeben. So wurden sie meine Gefangenen nach Landes Brauch. Ich kann mit ihnen schalten nach eigenem Willen. Willst Du sie
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/235&oldid=- (Version vom 1.8.2018)