Niederlanden zurück genommen. Aber Kriemhilde wollte bleiben, wo Siegfrieds Liebe zu ihr begonnen und geendet hatte. In den ersten drei Jahren richtete sie kein Wort an Gunther und auf Hagen fiel nicht einmal ihr Blick. Um die Schwester wieder auszusöhnen, ließen ihre Brüder den Nibelungenhort aus dem Nibelungenlande herbeiführen. Auf zwölf Wagen wurden die glänzenden Kleinodien ihr zu Liebe in vier Tagen und vier Nächten aus dem hohlen Berge, wo der Zwerg Alberich sie hütete, zu den Schiffen geführt. Jetzt sprach Kriemhild wieder mit König Gunther, aber nicht mit Hagen. Allein der Fluch, der auf dem Nibelungenschatze ruhte, erzeugte nur neues Unheil. Hatte Kriemhild schon an Siegfrieds Leiche Gold austeilen lassen, so geschah es nun noch mehr. Nicht bloß die Armen beschenkte sie jetzt, sondern auch die Reichen und Niemand konnte es mehr verborgen sein, daß sie nur Ritter zu gewinnen suchte, um Siegfrieds Tod zu rächen. Da bemächtigte sich Hagen des Schlüssels zu dem Nibelungenhorte. Er nahm den Schatz und senkte ihn zu Loche in den Rhein. Alle, die darum wußten, hatten aber vorher einen Eid geschworen, daß er dort verborgen bleiben solle, so lange sie lebten. Einer Sage nach liegt er noch heute dort.
Etwa dreizehn Jahre nach Siegfrieds Tode starb die Königin der Hunnen, König Etzels Weib in Ungarland. König Etzel gab den Auftrag, ihm eine neue Gemahlin zu werben. Da rieten ihm seine Freunde, um eine Wittwe zu freien im Burgondenlande, König Siegfrieds edle Gemahlin. Etzel kannte den Namen des Helden und seinen hohen Ruhm. Da aber die Nibelungen in den Niederlanden und in Burgund Christen waren, Etzel aber die Taufe nicht empfangen hatte, so trug er Bedenken, ob eine solche Ehe ratsam wäre. Jedoch seine Hofleute machten das Verlangen in ihm rege, mit Siegfrieds Weibe nochmals eine Ehe einzugehen. Der Markgraf Rüdiger von Bechelaren, ein Christ, übernahm es, mit fünfhundert Mann nach Worms zu ziehen und für König Etzel um die Hand Kriemhildens anzuhalten. Noch niemals hatte wohl einen Freiwerber ein stattlicheres Gefolge begleitet. Zu Wien wurde für dasselbe die kostbarste Kleidung angefertigt. Zu Bechelaren harrte Rüdigers Gothelinde, seine Gemahlin mit ihrer Tochter Diethelinde. Gothelinde hatte viel Gutes von Kriemhild gehört und glaubte in Etzels Vermählung mit
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/29&oldid=- (Version vom 1.8.2018)