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seinen Vögten und Dienern das Land der Franken und Thüringer regieren. Allein die Räte ihres Mannes waren ebensogut als die anderen Bewohner des Landes noch Heiden. Als nun gar noch die Botschaft vom Tode des Herzogs anlangte, da geriet Alles gegen sie in Aufruhr und sie war ihres Lebens nicht mehr sicher. Endlich ergriff sie die Flucht. Sie begab sich an die Ufer des Maines, welcher durch ihr Land floß. Mit dem Wenigen, was sie bei sich trug, gewann sie eine arme Fischerfamilie für sich. So wurde sie auf einem ärmlichen Fischerkahn nach Mainz geführt. Bei ihren Verwandten in Mainz bekam Bilhilde – so wurde sie genannt – noch einen Sohn. Schon sprachen die Ritter und Knappen in Mainz davon, wie sie ihn noch als Kind in das Land seines Vaters und mit ihm die unglückliche Mutter zurückführen wollten. Dabei gedachten sie dann, die Heiden bis nach Thüringen hin mit dem Schwerte zum Christentume zu bekehren. Die milde Bilhilde aber malte es sich schon als das höchste Glück aus, nur ihr Söhnlein als frommen Christen aufzuziehen; doch nicht einmal dieser Wunsch sollte ihr erfüllt werden. Der Knabe starb schon vor der Taufe, und Bilhilde’s aufgeregte Phantasie sah ihn mit anderen ungetauften Kindern in der wilden Jagd hinter dem wilden Jäger und der Tutursel einherziehen. Sie eröffnete jetzt ihrem Oheime, dem Bischof Siegbert von Mainz, daß sie dort das Kloster Altmünster von ihrem Vermögen erbauen und darein als die Äbtissin eintreten wolle. Schon lange Zeit hatte sie dieses heilige Amt versehen. Da träumten einst drei Nonnen, die in drei Zellen neben einander schliefen, während einer und derselben Nacht, ihre Aebtissin sei eine Heidin. Alsdann erwachten alle drei zugleich aus dem Schlafe. Sie rannten wütend aus ihren Zellen und befanden sich in der größten Aufregung. Indem sie sich gegenseitig ihren Traum mitteilten und feststellten, daß derselbe bei allen Dreien genau der nämliche gewesen war, sprachen sie lauter und immer lauter, sodaß zuletzt alle Nonnen erwachten und sich vor den Zellen dieser drei Klosterjungfrauen versammelten. Zuletzt kam die Aebtissin dazu, die zwar etwas entfernter schlief, aber endlich gleichfalls durch den Lärm im Kloster aufgeweckt war. Einige Nonnen wichen scheu vor ihr, wie vor einer Heidin, zurück, doch die Klügste von jenen drei Nonnen, welche den gleichen Traum gehabt hatten, erzählte ihr denselben, wenn

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Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/44&oldid=- (Version vom 1.8.2018)