Schon zu dieser Zeit hatten die Bestrebungen Karls für Landwirtschaft, Weinberge und Gartenbau besonders in Ingelheim eine große Bedeutung gehabt. Allerdings war es damals noch nicht möglich, daß die Gärten zu Ingelheim als Muster dienen konnten für ganz Deutschland bis an die Elbe hin. Aber was damals schon von Eginhard und Emma in der Kunst des Gartenbaues geleistet wurde, ist so bald als das Land der Sachsen sich vollständig beruhigt hatte, gerade in Niedersachsen mit immer wachsender Begierde nachgeahmt worden. So kommt es denn, daß der deutsche Bauerngarten noch jetzt bis an die Elbe, ja bis an die Oder und Weichsel hin, dieselben Einrichtungen aufzuweisen hat, wie sie zuerst in Ingelheim getroffen worden sind. Die Küchengewächse, Obstbäume und Blumen, deren Anblick uns jetzt in jedem Bauerngarten erquickt, hatten sich eben damals erst an den rheinischen Boden gewöhnt und wurden auf Befehl des Königs Karl unter der Aufsicht Eginhard’s und Emma’s sowie des Abtes von Corvei in Ingelheim gebaut.
Einige der Gärten zu Ingelheim, welche am weitesten vom Königshofe ablagen, waren mit Erde umfriedet und mit Felsstücken wie durch eine Mauer gesichert. Diejenigen, die sich unmittelbar an den Hof anschlossen, waren mit dicht in einander verwachsenen Hecken von Haselnüssen umgeben. Aus diesen ragte hier und da ein Vogelbeerbaum hervor, dessen kleine, doldenartig gewachsenen Früchte sich bereits gerötet hatten. Die Zweige des Birnbaumes mit den frischglänzenden Blättern schlossen sich zu runden Wipfeln. Oft unschön waren die Pflaumen- und Apfelbäume gestaltet. Aber die Apfelbäume hatten vorsorglich ihre Aeste ausgebreitet, um ihre runden Bälle dem reifenden Sonnenstrahle entgegenzuhalten. Unter diesen Obstbäumen sah man Eginhard und Emma im Herbst eifrig hin- und hergehen. Dort bestieg Eginhard vermittelst einer Leiter selbst einen Baum, brach die Früchte in einen Korb und ließ ihn zu der gerade unter ihm stehenden Emma herunter.
Aber auch in den Gemüsegärten begleitete Eginhard oft die Geliebte.
Hier rankten sich wie jetzt in jedem Bauerngarten noch im Herbste Bohnen und Gurken an Stangen empor. Auch Kohlarten und Salat, sowie Kerbelkraut und Dill, welche den Speisen die Würze geben sollen, war schon ein gutes Plätzchen gesichert. Die schönsten kleinen Beete,
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/51&oldid=- (Version vom 1.8.2018)