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Da ging Faustus hin, nahm ein Messer, hieb damit nach der Lilie und schlitzte den Blumenstengel von einander, dessen niemand gewahr wurde.

Da konnten die Zauberer ihrem Gesellen den Kopf nicht wieder aufsetzen und dieser mußte in seinen Sünden sterben. Die hochmütigen Zauberer wußten aber nicht, daß es Faust gethan hatte, denn er war klüger als sie. –

Am Christtage im Dezember, da Doktor Faust zu Wittenberg war, kamen viele adelige Frauenzimmer dahin, ihre Brüder, welche dort studirten, zu besuchen.

Die jungen Herrn von Adel hatten gute Kundschaft zu Doktor Faust. Er war etliche male zu ihnen gerufen worden, und wollte dies nun vergelten.

Da lud er sie nebst den Frauenzimmern in seine Behausung zu einer Nachmittagszeche. Es lag aber draußen großer Schnee.

Nun gab es in Doktor Fausti Garten ein lustig und herrlich Spektakel. In demselbigen Garten war nämlich kein Schnee zu sehen, sondern ein schöner Sommer mit allerlei Gewächs, daß auch das Gras mit allerlei schönen Blumen grünte und blühte. Es waren da auch schöne Weinreben mit allerlei Trauben behangen, nicht minder weiße, rote und fleischfarbene Rosen nebst vielen anderen schönen wohlriechenden Blumen, welches eine herrliche Luft zu riechen gab.

In einer fürnehmen Reichsstadt hatte Doktor Faustus viele stattliche Herren zu Tische geladen und doch nicht für sie zugerichtet.

Doktor Faustus wußte aber, daß an diesem Tage bei angesehenen Bürgern eine Hochzeit gefeiert wurde. Da machte er in ihrem Hause einen Sturmwind durch den Schornstein und löschte alle Lichter aus. Wie es nun dunkel geworden war, ließ er von den Geistern die schönsten Braten von dem Bratspieß nehmen und auf seine Tafel bringen. Alsdann machte er sich selbst auf und holte für seine Gäste den besten Wein aus Fuggers Keller.

Damit waren aber die Gäste noch immer nicht zufrieden und begehrten noch eigens ein Gaukelspiel von Doktor Faust, der sich dessen diesmal sehr ärgerte.

Da ließ er vor der Nase eines Jeden auf dem Eßtische eine Traube an einer einzigen Rebe wachsen. Nun mußte jeder seine Traube mit der

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Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/68&oldid=- (Version vom 1.8.2018)