einen Hand und mit der andern das Messer zum Abschneiden halten. Bei Leibe sollte aber keiner zuschneiden.
Nun ging Faust aus dem Gemache. Da wich allmählig der Zauber von ihnen und sie sahen, daß sie sich einander an den Nasen hielten, auch eben im Begriff waren sich dieselben abzuschneiden. –
Doktor Faustus hat auch einmal in der schwäbischen Stadt Heilbronn gelebt. Auf einen Tag, da er sich einen guten Rausch getrunken hatte mit seinem Freunde und Hauswirte Braeunle, trieb in der Abendzeit der Kuhhirt die Kühe an Braeunle’s Wohnung vorüber.
Auch andere Tiere waren noch in der Heerde, denn diese machten nicht nur ein entsetzliches Gebrüll, sondern auch ein Geblöke und ein Geplärr, als ob Kühe, Schafe und Ziegen durcheinander gingen.
Dem Doktor Faustus war das sehr zuwider. Er sprach einige Worte, da verstummten die Tiere und bekamen sogar die Maulsperre, worüber die Viehmägde gewaltig erschraken. –
Einstmals ging Doktor Faustus mit Braeunle und anderen Bürgern von Heilbronn nach Weinsberg. Sie ließen sich dort eine Mahlzeit zurichten und machten sich erst spät auf den Heimweg. Faust blieb in Weinsberg zurück.
Als sie ankamen, wurde in Heilbronn soeben das Thor geschlossen.
Da liefen sie, was sie nur konnten, als sie aber in der Stadt waren, da fragte einer: „Wo trinken wir noch ein Mäßlein Wein?“ Ein andrer sagte: „Wenn nur der Faust da wäre, da würde es lustig werden, da ginge ich auch gern mit“. Da kam aber eben der Faust daher, trat wieder zu ihnen, schon war er in der Stadt so gut als die andern und fragte: „Gelt denn, wo trinken wir noch ein Mäßlein Wein?“ –
Auch in Wien ist Doktor Faust einst gewesen. Da kam ihm die Lust an auf der Donau zu schiffen. Er ging also hinaus und fragte, ob nicht ein Schiff nach Regensburg abgehen würde. Da bekam er die Antwort: „Am andern Tage“, worauf er heimging und am andern Tage wiederkam.
Da sah er, daß man einen großen Haufen Pferde vor das Schiff spannte. Er fragte, was das bedeuten solle.
Die Schiffer antworteten: „Die Pferde sollen das Schiff hinaufziehen“.
Darauf lachte er sehr und sagte, solcher Torheit bedürfe es nicht. Man könne das Schiff ohne Pferde viel leichter hinaufbringen.
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/69&oldid=- (Version vom 1.8.2018)