erst möglich gemacht habe. Bei dieser Gelegenheit erfuhr die Gesellschaft, daß nach Aufhebung des Klosters Eilingen die inneren Kirchenerfordernisse, Altäre, Kanzel, Orgel, Bet- und Beichtstühle an die Gemeinde zu Bingen zu völliger Einrichtung der Rochuskapelle um ein Billiges überlassen worden war. Da man sich nun von protestantischer Seite dergestalt förderlich erwiesen hatte, so hatten sämmtliche Bürger von Bingen gelobt, gedachte Stücke persönlich herüber zu schaffen. Sie waren denn auch nach Eilingen gezogen und hatten alles sorgfältig abgenommen. Der Einzelne hatte sich kleinerer, mehrere der größeren Teile bemächtigt. So hatten sie, Ameisen gleich, Säulen und Gesimse, Bilder und Verzierungen herab an das Wasser getragen. Dort waren sie, gleichfalls dem Gelübde gemäß, von Schiffern eingenommen, übergesetzt, am linken Ufer ausgeschifft und abermals auf frommen Schultern die mannigfaltigen Pfade hinaufgetragen. Da nun das alles zugleich geschah, so hatte man, von der Kapelle herabschauend, über Land und Fluß den wunderbarsten Zug sehen können, indem Geschnitztes und Gemaltes, Vergoldetes und Lackirtes in bunter Reihenfolge sich bewegte; dabei genoß man des angenehmen Gefühls, daß jeder unter seiner Last und bei seiner Bemühung Segen und Erbauung für sein ganzes Leben hoffen durfte. Die Orgel wurde damals noch nicht mit herübergeschafft, sollte aber später auf einer Galerie, dem Hauptaltare gegenüber, Platz finden. Auf diese Weise löste sich erst das Rätsel, wie es möglich war, daß alle diese Zierden schon verjährt und doch wohl erhalten, unbeschädigt und doch nicht neu in einem erst hergestellten Raume sich damals zeigen konnten.
Der damalige Zustand des Gotteshauses war den Reisenden um so erbaulicher, als sie dabei an den besten Willen, wechselseitige Beihülfe, planmäßige Ausführung und glückliche Vollendung erinnert wurden. Denn daß alles mit Ueberlegung geschehen war, erhellte aus folgendem. Der Hauptaltar aus einer weit größeren Kirche sollte hier Platz finden. Die Verehrer des heiligen Rochus entschlossen sich, die Mauern um mehrere Fuß zu erhöhen, wodurch sie einen anständigen, ja reichlich verzierten Raum gewannen. Der ältere Gläubige konnte nun auf dem linken Ufer an demselben Altar knieen, vor welchem er von Jugend an auf dem rechten gebetet hatte.
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/94&oldid=- (Version vom 1.8.2018)