in neuen Goldstoff gekleidet, und es nahm sich als Jugendfürstchen gar hübsch und heiter aus.
Eine große Bewegung aber verkündete, nun komme die Hauptprozession von Bingen herauf. Man eilte den Hügelrücken ihr entgegen, und nun erstaunte man auf einmal über den schönen herrlich veränderten Landschaftsblick in eine ganz neue Scene. Hier die Stadt, an sich wohl gebaut und erhalten, Gärten und Baumgruppen um sie her, am Ende eines wichtigen Thales, wo die Nahe herauskommt! Und dort der Rhein, der Mäuseturm, der Ehrenfels! Im Hintergrunde die ernsten und grauen Felswände, in die sich der mächtige Fluß eindrängt und verbirgt!
Die Prozession kam herauf, gereiht und geordnet wie die übrigen: vorweg die kleinsten Knaben, Jünglinge und Männer hinterdrein. Dazu der heilige Rochus getragen, im schwarzsammetnen Pilgerkleide und einem langen Königsmantel von gleichem Stoff, unter welchem ein kleiner Hund, das Brot zwischen den Zähnen haltend, hervorschaute. Sogleich folgten mittlere Knaben in kurzen schwarzen Pilgerkutten, Muscheln auf Hut und Kragen, Stäbe in den Händen. Dann traten ernste Männer heran, weder für Bauern noch für Bürger zu halten. An ihren ausgearbeiteten Gesichtern erkannte man vielmehr die Schiffer: Menschen, die ein gefährliches, bedenkliches Handwerk, wo jeder Augenblick sinnig beachtet werden muß, ihr ganzes Leben über sorgfältig betreiben.
Ein rotseidener Baldachin wankte herauf. Unter ihm verehrte man das Hochwürdigste, vom Bischof getragen, von würdigen Geistlichen umgeben, von österreichischen Kriegern begleitet, gefolgt von zeitigen Autoritäten. So ward vorgeschritten, um dies Fest zu feiern, welches 1814 eine politisch-religiöse Bedeutung hatte und für ein Symbol gelten sollte des wiedergewonnenen linken Rheinufers, sowie der Glaubensfreiheit an Zeichen und Wunder. Bei diesem wundersamen und heiteren neuen Ereignisse waren die Kinder sämmtlich froh, wohlgemut und behaglich. Die jungen Leute dagegen traten gleichgültig einher. Geboren in böser Zeit wurden sie an nichts erinnert, und wer sich des Guten nicht erinnert, der hofft nicht. Die Alten aber waren alle gerührt wie von einem glücklichen, für sie unnütz zurückkehrenden Zeitalter. Daraus ist zu ersehen, daß des Menschen Leben nur insofern etwas wert ist, als es eine Folge hat.
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/96&oldid=- (Version vom 1.8.2018)