Nun aber ward von diesem edlen und vielfach würdigen Vorfall der Betrachter in unschicklicher Weise abgezogen durch einen Lärm im Rücken, durch ein wunderliches, heftiges und gemeines Geschrei. Auch hier wiederholte sich die Erfahrung, daß ernste, traurige, ja schreckliche Schicksale oft durch ein unvorhergesehenes abgeschmacktes Ereigniß, ein lächerliches Zwischenspiel, unterbrochen werden.
An dem Hügel rückwärts entstand ein seltsames Rufen. Es waren nicht Töne des Haders, des Schreckens, der Wut, aber doch wild genug. Zwischen Gestein und Busch und Gestrüpp lief eine aufgeregte Menge hin und wieder. Halt! – Hier! – Da! – Dort! – Nun! – Hier! – Nun heran! – so schallte es mit allerlei Tönen. Hunderte beschäftigten sich mit hastigem Ungestüm durch Laufen und Springen, Jagen und Verfolgen. Erst in dem Augenblicke als der Bischof mit dem hochehrwürdigen Zuge die Höhe erreichte, ward das Rätsel gelöst.
Ein flinker derber Bursche lief hervor, einen blutenden Dachs behaglich vorzuweisen. Das arme schuldlose Tier, durch die Bewegung der andringenden fremden Menge aufgeschreckt, abgeschnitten von seinem Bau, wurde am schonungsreichsten Feste von den immer unbarmherzigen Menschen im segensvollsten Augenblicke getötet. Gleichgewicht und Ernst war jedoch alsobald wiederhergestellt und die Aufmerksamkeit auf eine neue, stattlich heranziehende Prozession gelenkt. Denn indem der Bischof nach der Kirche zu wallte, trat die Gemeinde von Lidenheim so zahlreich als anständig heran.
Alles drängte sich nun gegen die Kapelle. Unsere Reisenden, durch die Menge seitwärts geschoben, verweilten im Freien, um an der Rückseite des Hügels die weite Aussicht zu genießen, die sich in das Thal eröffnet, in welchem die Nahe ungesehen heranschleicht. Hier beherrscht ein gesundes Auge die fruchtbare mannigfaltige Gegend bis zu dem Fuße des Donnersberges, dessen mächtiger Rücken den Hintergrund majestätisch abschließt.
An dieser für die Aussicht so günstigen Stelle standen Gezelte, Buden, Bänke und Schirme aller Art aufgereiht. Ein willkommener Geruch gebratenen Fettes drang den Fremden entgegen. Sie fanden eine thätige junge Wirtin, eines Metzgers Tochter, die damit umging, in einem weiten glühenden Aschenhaufen frische Würste zu braten. Durch eigenes Handreichen
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/97&oldid=- (Version vom 1.8.2018)