Seite:Proehle Rheinlands Sagen und Geschichten 2.djvu/6

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Heinrich Pröhle: Das Haus zu den beiden Schimmeln in Köln. In: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten, 2. Auflage

drang die Totenfrau mit den Leichenträgern in das Haus zu den Papageien ein. Herr von Aducht ließ den Trauring am Finger seiner Gemahlin sitzen und im letzten Augenblicke, als der Sargdeckel zugeschlagen werden sollte, steckte er noch kostbare Juwelen an ihren Busen und Hals. Es blieb nicht unbemerkt. Auf dem Friedhofe zu St. Aposteln wurde Frau Richmodis am Nachmittage in ihre Gruft gesenkt; doch schon in der nächsten Nacht erschien die Totenfrau wieder mit den Leichenträgern und Totengräbern, die Leiche zu berauben.

Das Begräbnis hatte aber diesmal denn doch allzuschnell stattgefunden; Frau Richmodis war scheintot beerdigt worden. Noch immer erwachte sie nicht, als die Totenfrau ihr von Busen und Hals die Juwelen wieder absuchte, ohne welche man sie vermutlich ganz hätte ruhen lassen. Als aber bald die Totengräber, bald die Leichenträger sie am Arme faßten, um ihr den Trauring vom Ringfinger abzustreifen, den die hohe Frau niemals in ihrer Ehe abgelegt und um den herum sich die Haut erhöht hatte, da richtete sie den Oberkörper hoch auf und im Sarge sitzend blickte sie die Frevler starr an. Die Diebe glaubten ein drohendes Gespenst zu sehen und liefen davon. Es gelang Frau Richmodis ohne Hilfe aus ihrer Gruft zu steigen. Sie nahm die Leuchte, welche die Leichenräuber hatten stehen lassen, und steckte sogar die Kleinodien, die daneben auf der Erde lagen, wieder an ihren Körper. So ging sie bei Nacht nach dem Hause zu den Papageien zurück.

Lange pochte sie hier vergeblich an die verschlossene Thür. Endlich wollte der träge Bediente doch sehen, wer klopfe und steckte den Kopf zum Fenster hinaus. Schnell zog er ihn zurück, denn er glaubte den Geist der Frau von Aducht zu sehen. Anstatt schnell zu öffnen, eilte er erst zum Herrn von Aducht; dieser aber sprach: „Meine Hausfrau kann ebensowenig vor der Thür stehen, als meine beiden Schimmel in der Nacht allein aus ihrem Stalle gehen, auf den Söller steigen und daselbst zum Fenster hinausschauen können.“ In diesem Augenblicke hörte er aber schon Pferdegetrappel auf der Treppe. Seine beiden Schimmel waren von selbst aus dem Stalle gekommen, wo sie vor der Krippe an der Kette angebunden gewesen waren. Der Kutscher, der im Stalle schlief, war erwacht; er suchte ihnen zu wehren, als sie die

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Pröhle: Das Haus zu den beiden Schimmeln in Köln. In: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten, 2. Auflage. Meidinger , Berlin [ca. 1892], Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten_2.djvu/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)