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für einen Flüchtling, der sich immer zu verstecken gezwungen ist. Anfangs war das Mädchen mutig und folgte mir ohne Anstrengung; allmälig aber nahmen ihre Kräfte ab und ich beschloss, die teure Bürde auf meine Schulter zu laden. Das war für sie noch peinlicher, und öfters hörte ich sie mit einem Seufzer sagen: „Wann werden die Götter endlich meine Seele zu sich nehmen, damit ich aufhöre, dir zur Last zu fallen!“

Wir zogen nach Teheran in der Absicht, den Staub von den Füssen Seiner Majestät zu küssen und seine Gerechtigkeit gegen die barbarischen Handlungen des Serdar zu erflehen. Die Erschöpfung des armen Mädchens nahm aber sichtlich zu und endlich ergriff sie ein heftiges Fieber. Ich wandte alle meine ärztlichen Kenntnisse, die ich aus Büchern gelernt hatte, an, aber ohne Erfolg; die Lebenskräfte der Unglücklichen waren zu Ende …

Bis Teheran blieben nur noch wenige Tage übrig; wir rasteten in der Nähe eines Dorfes im Kornfelde. Es wurde Abend. Der Mond goss seine blassen Strahlen über uns; Alles umhüllte Totesstille. Das Mädchen, den Kopf auf meine Knie gelehnt, lag in den grössten Qualen. Ich blickte sie traurig an. Plötzlich wandte sie ihre Augen voll Dankbarkeit

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Raffi: Bilder aus Persien und Türkisch-Armenien. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:RaffiBilderAusPersienUndT%C3%BCrkischArmenien.pdf/20&oldid=- (Version vom 24.7.2016)