Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Erster Theil | |
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Wenn ich nicht zerstöre, nicht herabwürdige, die Menschen neben mir gehen lasse wie sie sind, so kann dieß Betragen der Liebe nicht angehören. Ich empfinde kein affektvolles Streben, ihnen wohlzuthun, in meiner Seele. Die unthätige Unschädlichkeit ist nicht Liebe.
Wenn ich aber auch gefällig, dienstfertig, zuvorkommend in meinem geselligen Betragen bin, aber bloß aus Angewöhnung, Folge einer guten Erziehung; so ist dieß nicht Liebe. Das Herz nimmt keinen Antheil daran; kaum daß die Seele etwas dabey denkt.
Gemeiniglich scheinen diese unschuldigen, äußerlich verbindlichen Menschen bloß darum liebend, weil ihre Neigungen sich in einem Kreise herumdrehen, den wenig andere durchkreuzen! Aber wehe demjenigen, der wirklich mit ihrem Eigennutze in Collision kommt! Er wird bald die Wirkungen ihres Neides und kleinlichen Hasses fühlen!
Die Aufwallungen des Beschauungshanges sind bereits im ersten Buche dieses Werks von der Liebe abgesondert worden. Man darf hier nur daran erinnern. Alle Wonne am Vortrefflichen, Vollständigen,
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Erster Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_1.djvu/289&oldid=- (Version vom 1.8.2018)