Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil | |
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Körper würde uns dann als ein bloßes Symbol der Seele erscheinen; wir würden ihn als ein bloßes Mittel betrachten, uns einen Geist zu versinnlichen; die körperliche Schönheit würde ein bloß interessierender Gegenstand werden; wir würden uns nicht mehr von dem Körper, als solchem, isolieren, ihn nicht mehr als ein für sich bestehendes, von uns völlig abgesondertes Wesen ansehen; er würde folglich mit Sympathie oder mit Selbstheit genossen werden.
Das ruhige Gefühl der physischen Schönheit, (welches allein Gefühl der Schönheit genannt werden kann,) verträgt also keine hervorstechende Wirksamkeit der übrigen Sinne außer dem Auge, noch weniger der Lüsternheit. Sie verträgt auch kein hervorstechend genommenes Interesse an einer vollkommenen Seele, deren bloßes Symbol der Körper seyn soll. Aber es giebt einen Zustand von Begeisterung für physische Schönheit; und dieser setzt die Mitwirkung der Geschlechtssympathie, so wohl des Körpers als der Seele zum Voraus.
Der Fall ist ziemlich häufig, daß wir von einer schönen Figur, so wohl in der Natur, als im Kunstprodukt, dergestalt hingerissen werden, daß wir das Bild immerwährend mit uns herumtragen, nicht wieder davon los kommen können, ja, nicht wollen, sondern unaufhörlich nach wahrer oder symbolischer Vereinigung mit dem
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_2.djvu/129&oldid=- (Version vom 1.8.2018)