Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 2.djvu/212

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

der Adel der Seele, männlichen Ernst, Freyheit, Festigkeit, Bewußtseyn der Selbstwürde ankündigt. Diese Hoheit und diese Liebe im Bande mit einander, die sind es, welche den stärksten Eindruck auf das zärtere Geschlecht machen. Erwecke die Ahndung, daß du zu den Füßen der Geliebten sterben, aber um keinen Preis erniedrigende Fesseln tragen würdest!

Aber hüte dich vor aller Ziererey! Glaube nicht, daß es hinreichend sey, in dem Augenblicke, worin du Eindruck auf das Herz der Geliebten zu machen wünschest, deinem Körper einen Ausdruck beyzulegen, den du nicht lange vorher dir zu eigen gemacht hattest! Liebst du wirklich, so wirst du ohnehin nicht Freyheit des Geistes genug behalten, um eine solche Rolle gut zu spielen, und der Schein des Adels, mit dem du zu glänzen suchst, wird dich steif, der Schein der Zärtlichkeit, mit dem du rühren willst, wird dich süßlich ekelhaft machen. Von früher Jugend an sey es dein Bestreben, deinen Charakter zu vervollkommnen, dein Herz zu liebenden Gefühlen zu gewöhnen, deinen Sinn für das Edle und Schöne auszubilden, und deine Handlungen nach den Gesetzen, welche dieß Studium darbietet, einzurichten. Dann wird sich die Hauptbeschäftigung deiner Seele auf deine äußern Formen eindrücken, dann werden deine Mienen und Geberden eine ungezwungene Fertigkeit erlangen, sich liebend, edel und schön darzustellen, die zwar ihrem Ursprunge und ihrer Bildung nach Folge der Ueberlegung und der Aufmerksamkeit auf dich selbst ist, aber in ihrer einzelnen Aeußerung nichts mehr von jenem Zwange und von jener Kunst verräth, die so wenig mit der Schönheit als mit der Grazie vereinbar ist.