Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 2.djvu/388

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zugeschrieben werden können, zu erhalten, und wohl gar der Wunsch bey uns erwacht, uns diese ausschließend anzueignen; da brechen wir die Treue, die wir dem einzig Geliebten schuldig sind. Gehen wir gar so weit, uns das Herz, die Person eines Dritten aneignen zu wollen, leisten wir seiner Zärtlichkeit oder seiner Leidenschaft dadurch Vorschub, daß wir ihm und andern glauben lassen, daß seine Bemühungen, unser Herz zu gewinnen, uns nicht gleichgültig sind; so steigt unsere Untreue zu einem noch höheren Grade.

Darum scheinen mir nun auch alle jene Aufwartungen, alle jene Unterhaltungen der Gefallsucht, welche sich Liebende in der größeren Gesellschaft neben der Hauptempfindung die sie im Herzen tragen, erlauben, ein Verrath an der Zärtlichkeit zu seyn, die sie dem Einzigen schuldig sind. Man sagt, sie sind gleichgültig, sie sind unschuldig! Aber in der Liebe ist nichts gleichgültig und unschuldig, was mit ihrem Begriffe und ihrem Zwecke streitet.

Diese Grundsätze entschuldigen feiner organisierte Seelen wegen einer Eifersucht, die ihnen von gröber gestimmten Menschen zum Vorwurfe gemacht wird. Ihre Rechte sind von höherer Art, und werden feiner, aber darum nicht minder lebhaft gekränkt.

Aber wie soll das schöne, das reitzende Weib es machen, wenn es wider seinen Willen von der Andringlichkeit der Müssiggänger zu leiden hat? Leere Entschuldigungen! Wir Männer haben einen sehr feinen Takt darüber, wo unsere Aufwartungen wohl angebracht und aufgenommen werden, und das Weib