Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.1.djvu/182

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

übermüthige und widerspenstige Roß seines Gespanns zu zügeln sucht. „Das gutgeartete Roß wird beym Anblick des Geliebten von Bescheidenheit und Scham zurückgehalten. Aber das bösgeartete reißt es oft zur Begierde nach sinnlicher Lust mit sich fort, und zwingt selbst den Führer, seinem Willen nachzugeben, und sich dem Anblicke des Geliebten zu nähern. Aber das strahlende Angesicht des letzten weckt die Erinnerungen der Urschönheit wieder in der Seele des Liebhabers auf. Ach! er sieht diese wieder, und an ihrer Seite die Bescheidenheit auf heiliger Stäte. Ein heerer Schauer überfällt den Wagenführer, er sinkt zurück, und zieht dabey die Zügel so stark an sich, daß die beyden Rosse sich auf die Schenkel setzen. Er lenkt sie wieder ab. Das gute Roß folgt willig: – Das böse geräth in Wuth, lästert den Genossen und den Führer, wirft ihm Feigheit und Bundbrüchigkeit vor, und sucht ihn wieder zu dem Geliebten hinzuziehen. Nur mit Mühe erhalten der Führer und das bessere Roß einen Aufschub auf kurze Zeit. Kaum ist diese abgelaufen, so reißt das wilde Roß den Wagen wieder mit schamlosem Ungestüm in die Nähe des Geliebten. Der Führer zieht es mit eben der Gewalt zurück, wie das vorige Mahl, und dieß geschieht so oft, bis es endlich gebändigt wird, dem Führer willig folgt, und sogar beym Anblick des Geliebten vor Schrecken verzagt.“

„Der Liebhaber wird nun so bescheiden, daß er dem Geliebten nicht anders als mit einer Art von göttlicher Verehrung aufwartet. Die Wahrheit seiner Gesinnungen rührt endlich diesen, wenn er gleich anfangs den Liebhaber aus Furcht, sich bey seinen Gespielen lächerlich zu machen, zurückgewiesen hat. Es ist unmöglich,