Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.2.djvu/175

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die göttliche Liebe; wer hingegen bey der geschaffenen Schönheit stehen bleibt, der empfindet entweder die menschliche oder die thierische Liebe. Denn in so fern seine Vernunft über die edleren Sinne wacht, daß sie ihn nicht zum gröberen Genuß verführen, empfindet er menschliche Liebe; in so fern er aber nach Berührung strebt, wird er zum Thiere. Das vernünftige Wesen im Menschen hat also eine doppelte Bestimmung; theils die göttlichen Ideen zu beschauen, theils über die Beschäftigung mit den Geschaffenen die Aufsicht zu führen.“

Die menschliche Liebe rührt von einer feinen Bewegung des Bluts her, diese Bewegung fordert die Phantasie auf, sich Bilder zu schaffen. Wir suchen die Schönheit nicht bloß zu genießen, sondern auch darzustellen. Darüber verliert der Liebende das Bewußtseyn seiner selbst, indem er sich bloß mit dem Schönen außer sich beschäftigt. Der Wunsch, wieder geliebt zu werden, ist nur das Bestreben, den verlornen, in den Geliebten übergegangenen Geist wieder zu erhalten.“

Dieß ist das Wenige, was mir aus den Lehren des Giovanni und Francesco Pico della Mirandola, und Francesco Catani da Diacetto verständlich geworden ist. Man sieht, daß bey ihnen die menschliche Liebe in keinem großen Ansehn gestanden hat, und daß am Ende alles dahin abzweckt, uns von der Kreatur abzuziehen, und zur Beschauung der übersinnlichen Dinge hinzuleiten. Battista Fregoso ist, nach dem Zeugnisse des Equicola, sogar so weit gegangen, alle Liebe eine ungezähmte Begierde zu nennen, die mit Wollust verbunden von der Muße und Lüsternheit gezeugt wird. Ja einer von den Unterrednern, die er aufführt,