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Ludwig Rellstab: Empfindsame Reisen: Nebst einem Anhang von Reise-Berichten, Skizzen, Episteln, Satiren, Elegien, Jeremiaden, usw., Band 2

zu sein braucht, um vollends elend darnach zu werden, d. h. in dem Grade aufgeregt und gereizt, daß man das munterste Ansehen hat, und das Gift der Medisance ordentlich lustig aufschäumt und spritzt beim Nachmittagsspaziergange. Kurz, wie ich sage, Kissingen vergiftet sich ohne Apotheker, und die Kunst der andern Badeörter, der Salons, der Hofgesellschaft, der haute volée, des Faubourg St. Germain, der City wird hier in den Sommerferien nicht vernachlässigt, so sehr man sie im Winter geübt hat.

Aber ich glaube, mein zweistündiger Aufenthalt vergiftet mich selber schon so, daß mir alles schwarz vor den Augen wird, und mithin auch alle Gegenstände schwarz erscheinen, Diable! Das Kurhaus z. B. mißfällt mir höchlichst, – diese Unform! – Und das neue, welches schöner werden soll als das Brückenauer, steht noch nicht. Der Bazar – das neue Tivoli – soll mich solche Misere entzücken? Unmöglich. Drum kehrt! Fort von der Promenade zurück ins Wirthshaus! Aber hier beginnt des Reiseelends zweiter Aufzug. Die vertrackte Marterkammer ist noch so unaufgeräumt wie vor zwei Stunden, ich kann also nicht aufgeräumt sein. Jetzt erst sehe ich’s, daß ein Schornstein dicht unterm Fenster ausmündet, und Rauch und Fettdampf daraus empor- und bei mir einsteigt. Ich habe aber nur eine menschliche,

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Rellstab: Empfindsame Reisen: Nebst einem Anhang von Reise-Berichten, Skizzen, Episteln, Satiren, Elegien, Jeremiaden, usw., Band 2. Brockhaus, Leipzig 1836, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Rellstab_Empfindsame_Reisen_2.pdf/97&oldid=- (Version vom 1.8.2018)