„Auf Wiedersehn in einer Woche, in einer furchtbar langen Woche,“ flüsterte sie traurig, indem sie die finstern Stufen herunterkam.
„O ja, zuweilen enthält eine Woche tausend Jahre der Sehnsucht …“
„Und die ganze Unendlichkeit der Sorgen, der Unruhe,“ wiederholte sie wie ein Echo.
„Und … auf Wiedersehn!“ Er hatte das leise Knarren der Tür gehört.
„Nur bitte recht lange, liebe Briefe!“
„Wie immer ein Bändchen in Sedez,“ entgegnete er scherzend.
„Das ist mein Kalender, an dem ich die Tage bis zum Sonntag abzähle, – ich lebe nur durch Sie,“ sagte sie noch leiser und näher, nur einige Stufen von ihm entfernt.
„O Betsy!“ Sein Herz erbebte plötzlich in Liebe, er sprang zu ihr hinauf, erfaßte ihre Hände und begann sie heiß zu küssen.
„Denn ich sehne mich so nach dir, liebe dich so, und warte … so,“ flüsterte sie gerührt.
„O meine Betsy, du meine Herzensseele, du Einzige! O könntest du wissen, was …“ Er sprach nicht zu Ende, – das Mädchen entwand ihm die Hände, berührte mit den Fingern seinen Mund und lief fort, denn in diesem Augenblicke ertönte von oben herab die strenge Stimme von Miß Dolly.
Auch Yoe kam bald heraus, mit einer gerührten, geheimnisvollen Miene und Dick, der sie im Flure mit den Mänteln erwartete, flüsterte ihm noch etwas zu, als sie ins Freie traten.
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/091&oldid=- (Version vom 1.8.2018)