Seite:Reymont - Der Vampir.djvu/227

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„Ja, warum denn auch? Alte Wunden wieder aufwühlen? Was werde ich erfahren? Daß es unter dem Eindruck des Gewittere und einer momentanen Schwäche geschehen ist!“

„Weswegen hat sie so an mir gehandelt?“ so wurde plötzlich wieder in ihm die alte quälende Frage laut, und er konnte sich nicht mehr für etwas Bestimmtes entscheiden. Zu Hause fand er einen Brief von Betsy vor, die ihn bat, er möchte so schnell wie möglich zu ihnen kommen, um eine Entscheidung wegen der Reise nach dem Festland zu treffen. Der Brief war mit so rührender Zärtlichkeit geschrieben, daß er unter seinem Einfluß zunächst die Qualen vergaß und sehr herzlich und ausführlich antwortete. Er hatte sich gerade erhoben, um den Brief zum Portier zu tragen, als jemand an die Tür klopfte.

„Herein!“ Er wunderte sich, denn das ganze Hotel schlief längst. Auf der Schwelle stand der Malaie und stammelte etwas ohne Zusammenhang.

„Was ist los? Sprich doch deutlich, ich verstehe nicht.“

„Kommen Sie schnell … Schon seit Nachmittag sitzt er da … Ich …“

Zenon hörte nicht weiter zu und lief nach oben.

In dem runden Zimmer, dort wo damals die Geißelungsszene stattgefunden hatte, saß Yoe mitten auf dem Fußboden, mit gekreuzten Beinen, zusammengekauert und starrte mit gläsernen Augen vor sich hin. In der Kristallkugel an der Decke schimmerte das blasse, grünliche Licht.

„Yoe! Yoe!“

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Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/227&oldid=- (Version vom 1.8.2018)