Seite:Samuel zieht die Bilanz und Tomi melkt die Moralkuh oder Zweier Könige Sturz.pdf/26

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

als Belegstücke zu den von ihm persönlich gelesenen Museumskatalogen. An den Bildern ist zu ersehen, ob die darunter stehenden Namen stimmen, und über diese Namen wieder liest man in Muthers neuester Kunstgeschichte nach. Man brauchte dem lieben kleinen Wüterich garnicht zu antworten. Er lebte in beständiger Defensive gegen einen imaginären Idioten, der andere literarische Ansicht hat als Samuelchen. Darüber giftete sich Samuelchen. Giftete sich bis zu galliger Gotttrunkenheit an den eigenen Worten empor, so wie eine Lerche, die an den eigenen Liedern in die Luft klettert. Der imaginäre Idiot vertrat soeben den Standpunkt der Neuromantik. Das ärgert das liebe Samuelchen immer am meisten. Sodaß er mit dem Messer wütend auf die arme Kalbshaxe schlug, als sei das eine Haxen vom Hugo von Hofmannsthal oder von einem andern deutschen Dichter, dessen Bilanz in Samuelchens Hauptbuch ein entschieden Defizit aufweist.

Zuletzt aber sagte der kleine Prophet, er möchte nun etwas vom Volksleben kennen lernen, denn er schwärme gar sehr für Quellfrische, Ursprünglichkeit und Erdduft. Ob ich ihm nicht ein bischen München zeigen wolle. Er sei schon ganz berauscht von unsrer Lebfrische. Hier gebe es doch noch wurzelhaftes Volksleben. Berlin sei ihm zu amerikanisch. Berlin sei nur groß in der ätzenden und zerfetzenden Kritik. Der Süddeutsche habe mehr Gemüt. Die Preußen hätten zwar schon eine Zivilisation, aber noch keine Kultur... So gab er seine Spruchbänder von sich, ein deutsches Literaturfontänchen. Lieber Gott! sagte ich schließlich resigniert, Herr Lublinski, wenn Sie Quellfrische und treues bayrisches Volksgemüt kennen lernen wollen, so gehn wir halt a bisserl zusammen ins Hofbräu. „Da feit Sie fein gar nixen“. (Ich lebte eben in München schon die zehen Jahr.)

5.

Ich habe also den kleinen Samuel Lublinski aus Pinne in Posen zum ersten Mal in seinem (wenn man so sagen darf) Leben ins Münchner Hofbräuhaus verschleppt. Ich ging mit den beiden Geschwistern über den Odeonsplatz, vorbei an der Residenz zum Theater, und dann die schöne Maximilianstraße hinunter. Ich sehe die lieben Beinchen noch heute vor mir. Er schnuffelte mir voran wie ein Hündchen nach literarischen Gelegenheiten, an denen er sein Wasser abschlagen könne. Die ganze Welt zerfiel ihm in solche, die