Seite:Schatzkaestlein des rheinischen Hausfreundes.djvu/044

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


heraus gezogen haben. Es gehört Glauben dazu, aber als ein äusserst glücklicher Zufall scheint es wenigstens möglich zu seyn.

Wenn die Neger in Afrika einer grossen Schlange die Haut abstreifen wollen, so ziehn sie dieselbe mit einem Strick an den Ast eines hohen Baumes auf. Einer klettert alsdann mit einem Messer hinauf, geht auf den Ast hervor, läßt sich an das Ungeheuer hinab, löst ihm die Haut unter dem Kopf, streift sie ab, und gleitet alsdann sachte mit der Haut, die er von oben nachzieht, an dem glatten Körper zur Erde hinab.

Grosse Schlangen wurden bey den Alten auch Drachen genannt. Aber wer dabey an geflügelte und feuerspeiende Unthiere denkt, oder an sogenannte Basilisken, der denkt an eine Fabel. Und es ist nur so viel an der Sache, daß es in fremden Welttheilen auf den Bäumen Eidexen giebt, die durch sogenannte Flughäute auf dem Rücken und am Hals, oder an den Seiten zwischen den vordern und hintern Beinen sich in der Luft schwebend erhalten und weite Sprünge machen können.

Man kennt auch eine Schlange, die auf dem Kopfe zwey bewegliche Auswüchse wie Hörner hat, und nennt sie deswegen die Gehörnte. Sie weiß sich sehr geschickt im Grase zu verbergen, so daß nur diese Auswüchse hervorschauen. Vögel, die dies sehen, haltens für Würmer, fliegen herzu und wollen anbeissen, werden aber augenblicklich von der Schlange erhascht, und gefressen.

So begegnet wohl auch manchem Menschen gerade dasjenige selber, was er aus Eigennutz oder Schadenfreude einem andern zugedacht hat.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/044&oldid=- (Version vom 1.8.2018)