und Spätjahr, wo doch die Gewitter meistens heftiger sind, wird niemand mehr etwas von Schwefelregen sehen, weil dann das Blühen ein Ende hat. Da regnen Aepfel, Nüsse, Eicheln etc. von den schweren Aesten der Bäume herab, aber kein eingebildeter Schwefel mehr.
Im Frühjahr und im Sommer kann es wohl geschehen, daß man hie und da viel rothe Tropfen, wie Regentropfen, noch naß oder vertrocknet auf dem Laub oder auf Gegenständen von hellerer Farbe wahrnimmt, die auf der Erde liegen, z. B. auf Tuch, das zum Bleichen in Grasgärten ausgebreitet wird. Und weil man nicht begreifen kann, woher das kommen mag, und weil man lieber etwas unglaubliches, als etwas natürliches glaubt, so faßt mans kurz und sagt, es habe Blut geregnet, und das bedeute Krieg.
Allein, wie nicht alles Schwefel ist, was gelb aussieht, so ist auch nicht alles Blut, was eine rothe Farbe hat. Dießmal geht die Sache so zu. Aus einem kleinen Ey, das den Winter über irgendwo an einer Hecke oder an einem Baumzweig klebte, brütet im Frühjahr die Sommerwärme ein kleines lebendiges Räuplein aus. Nach wenig Wochen, wenn sich die Raupe groß und rund gefressen hat, kriecht sie irgendwo in die Höhe, wenn sie nicht schon oben ist, hängt sich mit dem Hintertheil des Körpers fest, mit dem Kopfe abwärts, streift die Raupenhülle ab, und verwandelt sich in eine eckige Gestalt, die man Puppe nennt, ohne Kopf, ohne Füße und Flügel. Man sieht dem Ding nicht an, was es seyn und werden
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/052&oldid=- (Version vom 1.8.2018)