ernsthaft, von ihm zu hören wo er hingehe, mit der Bedrohung, ihn sogleich von der Straße weg in das Gefängniß führen zu lassen. Das half alles nichts, und der Stadt-Richter gab dem Gerichtsdiener zuletzt wirklich den Befehl, diesen widerspenstigen Menschen wegzuführen. Jezt aber sprach der verständige Mann: Da sehen Sie nun, hochgebietender Herr, daß ich die lautere Wahrheit gesagt habe. Wie konnte ich vor einer Minute noch wissen, daß ich in den Thurn gehen werde, – und weiß ich denn jezt gewiß, ob ich drein gehe? – Nein, sprach jezt der Richter, das sollt Ihr nicht. Die witzige Rede des Bürgers brachte ihn zur Besinnung. Er machte sich stille Vorwürfe über seine Empfindlichkeit, und ließ den Mann ruhig seinen Weg gehen.
Es ist doch merkwürdig, daß manchmal ein Mensch, hinter welchem man nicht viel sucht, einem andern noch eine gute Lehre geben kann, der sich für erstaunend weise und verständig hält.
Es sagt ein altes Sprichwort: Selber essen macht fett. Ich will noch ein paar dazu setzen: Selber Achtung geben macht verständig. Und selber arbeiten macht reich. Wer nicht mit eignen Augen sieht, sondern sich auf andere verläßt, und wer nicht selber Hand anlegt, wo es nöthig ist, sondern andere thun läßt, was er selber thun soll, der bringts nicht weit, und mit dem Fettwerden hat es bald ein Ende.
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/094&oldid=- (Version vom 1.8.2018)