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Die Spinnen.


1.


Die Spinne ist ein verachtetes Thier, viele Menschen fürchten sich sogar davor, und doch ist sie auch ein merkwürdiges Geschöpf und hat in der Welt ihren Nutzen. Zum Beyspiel die Spinne hat nicht zwey Augen, sondern acht. Mancher wird dabey denken, da sey es keine Kunst, daß sie die Fliegen und Mücken, die an ihren Fäden hängen bleiben, so geschwind erblickt und zu erhaschen weiß. Allein das machts nicht aus. Denn eine Fliege hat nach den Untersuchungen der Naturkündigen viele hundert Augen, und nimmt doch das Netz nicht in Acht und ihre Feindinn, die groß genug darinn sitzt. Was folgt daraus? Es gehören nicht nur Augen, sondern auch Verstand und Geschick dazu, wenn man glücklich durch die Welt kommen und in keine verborgenen Fallstricke gerathen will. – Wie fein ist ein Faden, den eine Spinne in der größten Geschwindigkeit von einer Wand bis an die andere zu ziehen weiß! Und doch versichern abermal die Naturkündigen, daß ein solcher Faden, den man kaum mit bloßen Augen sieht, wohl sechstausendfach zusammen gesetzt seyn könne. Das bringen sie so heraus: Die Spinne hat an ihrem Körper nicht nur eine, sondern sechs Drüsen, aus welchen zu gleicher Zeit Fäden hervorgehn. Aber jede von diesen Drüsen hat wohl tausend feine Oeffnungen, von welchen keine umsonst da seyn wird. Wenn also jedesmal aus allen diesen Oeffnungen ein solcher Faden herausgeht, so ist an der Zahl sechstausend nichts auszusetzen, und dann kann man wohl begreifen, daß

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Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/097&oldid=- (Version vom 1.8.2018)