mit Spinnengewebe überzogen und glänzen im Morgenthau? Da geht manches Mücklein zu Grunde, das die aufkeimende Saat vielleicht angegriffen und verletzt hätte. Ein Gefangener machte einst in seinem einsamen Kerker eine Spinne so zahm, daß sie seine Stimme kannte, und allemal kam, wenn er sie lockte und etwas für sie hatte. Sie verkürzte ihm an einem Ort, wo kein Freund zu ihm kommen konnte, manche traurige Stunde. Aber als der Kerkermeister es merkte, brachte er sie ums Leben. Was ist verabscheuungswürdig? Ein solches Thier, das doch noch einem Unglücklichen einiges Vergnügen machen kann, oder ein solcher Mensch, der dem Unglücklichen auch dieses Vergnügen mißgönnt und zerstört? Ein anderer Gefangener, der sonst nichts zu thun wußte, gab lange Zeit auf die Spinnen acht, und merkte, daß sie auch Wetterpropheten seyen. Bald liessen sie sich sehen und arbeiteten, bald nicht. Einmal spannen sie träg, ein andermal hurtig, lange Fäden oder kurze, einmal näher zusammen, ein andermal weiter auseinander, so oder so, und endlich konnte er daran erkennen, was für Wetter kommt, Sturm, Regen oder Sonnenschein, anhaltend oder veränderlich. Also auch dazu sind sie gut, und wenn sich jemand verwundet hat, und findet geschwind ein Spinnengewebe, das er auf die blutende Wunde legen kann, so ist er doch auch froh darüber. Wenn es rein ist, so kann es Blut und Schmerzen stillen. Wenn es aber voller Staub ist, so schmerzt es noch mehr, weil der unreine Staub in die Wunde kommt.
Daß es mancherley Thiere dieser Gattung gebe,
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/099&oldid=- (Version vom 1.8.2018)