Ein junges Ehepaar lebte recht vergnügt und glücklich beysammen, und hatte den einzigen Fehler, der in jeder menschlichen Brust daheim ist: Wenn man’s gut hat, hätt’ man’s gerne besser. Aus diesem Fehler entstehen so viele thörichte Wünsche, woran es unserm Hans und seiner Lise auch nicht fehlte. Bald wünschten sie des Schulzen Acker, bald des Löwenwirths Geld, bald des Meyers Haus und Hof und Vieh, bald Einmal hunderttausend Millionen baierische Thaler kurz weg. Eines Abends aber als sie friedlich am Ofen saßen und Nüsse aufklopften, und schon ein tiefes Loch in den Stein hineingeklopft hatten, kam durch die Kammerthür ein weißes Weiblein herein, nicht mehr als einer Elle lang, aber wunderschön von Gestalt und Angesicht, und die ganze Stube war voll Rosenduft. Das Licht löschte aus, aber ein Schimmer wie Morgenroth, wenn die Sonne nicht mehr fern ist, stralte von dem Weiblein aus, und überzog alle Wände. Ueber so etwas kann man nun doch ein wenig erschrecken, so schön es aussehen mag. Aber unser gutes Ehepaar erhohlte sich doch bald wieder, als das Fräulein mit wundersüßer silberreiner Stimme sprach: „Ich bin eure Freundinn, die Bergfey, Anna Fritze, die im kristallenen Schloß mitten in den Bergen wohnt, mit unsichtbarer Hand Gold in den Rheinsand streut, und über siebenhundert dienstbare Geister gebietet. Drei Wünsche dürft ihr thun; drei Wünsche sollen erfüllt werden.“ Hans drückte den Ellenbogen an den Arm seiner Frau, als ob er sagen wollte: Das lautet nicht übel. Die Frau aber war schon im Begriff,
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/125&oldid=- (Version vom 1.8.2018)