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der war nicht zufrieden, wollte noch mehr haben, schimpfte auch, und verlangte Beweis. Da gab ein Wort das andere, und es hieß: Du Spitzbub! du Felddieb! – Damit war er noch nicht zufrieden, sondern gieng vor den Richter. Da war nun freylich derjenige, welcher geschimpft hatte, übel d’ran. Leugnen wollt’ er nicht, beweisen konnt’ er nicht, weil er für das, was er wohl wußte, keine Zeugen hatte, sondern er mußte einen Gulden Strafe erlegen, weil er einen ehrlichen Mann Spitzbube geheißen habe, und ihm Abbitte thun, und dachte bei sich selber: theurer Wein! Als er aber die Strafe erlegt hatte, so sagte er: „Also einen Gulden kostet es, Gestrenger Herr, wenn man einen ehrlichen Mann einen Spitzbuben nennt? Was kostet’s denn, wenn man einmal in der Vergeßlichkeit oder sonst zu einem Spitzbuben sagt: Ehrlicher Mann.“ Der Richter lächelte, und sagte: Das kostet nichts, und damit ist niemand geschimpft. Hierauf wendete sich der Beklagte zu dem Kläger um, und sagte: „Es ist mir leid, ehrlicher Mann! Nichts für ungut, ehrlicher Mann! Adies, ehrlicher Mann!“ Als der erboste Gegner das hörte, und wohl merkte wie es gemeynt war, wollte er noch einmal anfangen, und hielt sich jetzt für ärger beleidigt als vorher. Aber der Richter, der ihn doch auch als einen verdächtigen Menschen kennen mochte, sagte zu ihm: Er könnte jetzt zufrieden seyn.

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Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/129&oldid=- (Version vom 1.8.2018)