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in die Frühmesse, darnach in die lutherische Predigt, und was sie alsdann bis von heut über acht Tage der liebe Gott vermahnt, das wollten sie thun. Als sie aber aus der Vesper und aus dem grünen Baum nach Hause kamen, ermahnte sie Gott, aber sie verstanden es nicht. Denn der Ladendiener fand einen zornigen Brief von seinem Herrn: „Augenblicklich sezt eure Reise fort. Hab ich euch auf eine Tridenter Kirchenversammlung nach Neuwied geschickt, oder sollt ihr nicht vielmehr die Musterkarte reiten?“ Und der andere fand einen Brief von seinem Vater: „Lieber Sohn komm heim sobald du kannst, du mußt spielen.“ Also giengen sie noch den nemlichen Abend unverrichteter Sachen auseinander, und dachten jeder für sich nach was er von dem andern gehört hatte. Nach sechs Wochen schreibt der jüngere dem Ladendiener einen Brief: „Bruder deine Gründe haben mich unterdessen vollkommen überzeugt. Ich bin jezt auch katholisch. Den Eltern ist es insofern recht. Aber dem Vater darf ich nimmer unter die Augen kommen.“ Da ergriff der Bruder voll Schmerz und Unwillen die Feder: „Du Kind des Zorns und der Ungnade, willst du denn mit Gewalt in die Verdammniß rennen, daß du die seligmachende Religion verläugnest? Gestrigs Tags bin ich wieder lutherisch worden.“ Also hat der katholische Bruder den lutherischen bekehrt, und der lutherische hat den katholischen bekehrt, und war nachher wieder wie vorher, höchstens ein wenig schlimmer.

Merke: du sollst nicht über die Religion grübeln und düfteln, damit du nicht deines Glaubens Kraft verlierst. Auch sollst du nicht mit Andersdenkenden darüber disputiren, am wenigsten mit solchen, die es

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Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/284&oldid=- (Version vom 1.8.2018)