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so sonderbar für sie verknüpft, ihm Karl’s Bildniss zeigend und auf seinem Antlitz Lösung des Räthsels suchend. Er hat sich Amalia als eine schlanke hohe Gestalt gedacht, mit grossen dunkeln schwärmerischen Augen, vollen Lippen, die von Sehnsucht und Zärtlichkeit geschwellt sind, einer hohen Stirn, auf welcher der Schmerz zuckt und die bittere Frage an das Schicksal, warum es gerade ihr allen Reiz des Lebens entziehen musste, wie es sich in ihren Worten ausspricht:

Dahin! wie unsere besten Freuden dahingehn. . . . Alles lebt, um traurig wieder zu sterben. Wir interessiren uns nur darum, wir gewinnen nur darum, dass wir wieder mit Schmerzen verlieren.

Das Heftige, Ueberschwengliche, die rücksichtslose Leidenschaft, die alles, was Schiller in dieser ersten Periode schrieb, durchzieht, pulsirt auch in Amalia, so oft sie – und das ist so ziemlich immer – an ihre Liebe denkt, ob sie nun dem Todtgeglaubten nachweint, oder sich der Erinnerung an vergangene Tage hingibt:

Sein Umarmen – wüthendes Entzücken! –
Mächtig, feurig klopfte Herz an Herz,
Mund und Ohr gefesselt – Nacht vor unsern Blicken –
Und der Geist gewirbelt himmelwärts. . . . .
Er ist hin. – Vergebens, ach! vergebens
Stöhnet ihm der bange Seufzer nach.
Er ist hin – und alle Lust des Lebens
Wimmert hin in ein verlornes Ach! –

oder ob sie mit Schauder dieselben Empfindungen endlich für den Fremden entdeckt:

Du weinst, Amalia? – und das sprach er mit einer Stimme! mit einer Stimme – mir war’s, als ob die Natur sich verjüngte – die genossenen Lenze der Liebe dämmerten auf mit der Stimme! Die Nachtigall schlug wie damals – die Blumen hauchten wie damals – und ich lag wonneberauscht an seinem Hals. – Ha! falsches, treuloses Herz! wie du deinen Meineid beschönigen willst!

So unglaublich auch dieses ganze Nichterkennen aussieht, da sie Karl ja doch nachher im Walde gleich erkennt, so ist doch jedenfalls

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/52&oldid=- (Version vom 1.8.2018)