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ihre Hoffnung sehen, daß er sich durch einige Jahre Arbeit in jenen Gegenden, in den Stand setzen könnte, auch unter seinen jetzigen Mitbürgern eine grose Figur zu spielen. Sie lies ihn nicht undeutlich merken, daß sie von ihm erwarte, daß er künftig noch weiter als sein Vater gehen und sich in allem noch ansehnlicher und rechtlicher zeigen werde.

Nur zu sehr fühlte Ferdinand, daß er von einer solchen Verbindung kein Glück zu erwarten habe, und doch war es schwer so vielen Reizen zu entsagen. Ja vielleicht wäre er ganz unschlüßig von ihr weggegangen, hätte ihn nicht der Vetter abgelößt, und in seinem Betragen allzuviel Vertraulichkeit gegen Ottilien gezeigt. Ferdinand schrieb ihr darauf einen Brief, worin er ihr nochmals versicherte, daß sie ihn glücklich machen würde, wenn sie ihm zu seiner neuen Bestimmung folgen wollte; daß er aber für beyde nicht räthlich hielt, eine entfernte Hoffnung auf künftige Zeiten zu nähren, und sich auf eine ungewisse Zukunft durch ein Versprechen zu binden.

Noch auf diesen Brief wünschte er eine günstige Antwort; allein sie kam nicht wie sein Herz, sondern wie sie seine Vernunft billigen mußte. Ottilie gab ihm auf eine sehr zierliche Art sein Wort zurück, ohne sein Herz ganz los zu lassen, und so sprach das Billet auch von ihren Empfindungen; dem Sinne nach war sie gebunden und ihren Worten nach frey.

Was soll ich nun weiter umständlich seyn? Ferdinand eilte in jene friedlichen Gegenden zurück, seine Einrichtung war bald gemacht; er war ordentlich und fleißig

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 9-48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_3-1795.pdf/258&oldid=- (Version vom 1.8.2018)