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Pterygotus bohemicus Barr.
Tafel IV, Fig. 3 u. 4.
Pterygotus comes Barr. Taf. XVIII, Fig. 9.
Pterygotus bohemicus Barr. Taf. XVII, Fig. 20–24.
 » » » Semper. Taf. XII, Fig. 8 und Textfigur 5, 6.

Kaufüße. Von dieser Art liegt mir eine größere Zahl von Coxognathiten vor. Meistens ist aber nur der interne Teil erhalten. Einige dieser Coxognathiten stimmen mit der Abbildung, die Semper auf Seite 74 gibt, überein. Andere aber weichen davon ab. So zeigt die Zahnreihe nur 14 Zähne, bei einem Exemplar habe ich sogar nur elf Zähne gezählt (siehe Taf. IV, Fig. 3). Dennoch muß ich es hieher stellen und nicht etwa zu Pterygotus Barrandei, dessen Kaufüße 11–12 Zähne besitzen, weil der für Pterygotus bohemicus charakteristische kleine erste Zahn deutlich erhalten ist.

Sehr weicht bei manchen Stücken auch der Vorderrand des internen Teiles ab. Bei der Abbildung Sempers und auch bei zwei Exemplaren, die mir vorliegen, ist er gleichmäßig gewölbt. Bei anderen springt dagegen der Vorderrand sehr plötzlich zu einem Buckel vor, z. B. bei dem von mir abgebildeten Stücke; doch stellt dieses Stück noch nicht den extremsten Fall vor. Zwischen diesen abweichenden Formen und den normalen gibt es Übergänge. Die Zähl der Zähne und die Gestalt des Vorderrandes scheinen also keine konstanten Merkmale zu sein, konstant dagegen ist stets der kleine erste Zahn, der gleichsam nur ein Adventivzahn des zweiten großen Zahnes ist.

Ein solcher kleiner Zahn findet sich, nebenbei bemerkt, auch bei Pterygotus problematicus Salter (Taf. XII, Fig. 12, 13).

Bei einem der mir vorliegenden Ektognathenkaufüße ist auch der Externteil teilweise erhalten. Bei diesem Coxognathiten sieht man auf dem Vorderrande des Intern- und Externteiles bogenförmige Schuppen, wie sie auch Semper abbildet, auf dem Hinterrande des Externteiles dagegen scharf ausgeprägt dreieckige Schuppen, welche ihre Spitze dem Hinterrande zukehren. Der allgemeine Umriß des Coxognathiten stimmt mit der Abbildung Sempers überein.

Zu Pterygotus bohemicus gehört auch Pterygotus mediocris Barr. Ich habe das Original des Pterygotus mediocris, den Barrande auf Taf. XVIII abbildet, in der Hand gehabt. Der fragliche Rest gehört nicht zu einer Schere, wie Barrande angenommen hat, sondern er ist ein Kaufuß, und zwar ein Kaufuß von Pterygotus bohemicus. Die Abbildung Barrandes ist nicht sehr gut. Die fünf kleinen Zähne, die hinter dem ersten großen Zahn stehen, sind nicht etwa so gut auf dem Original erhalten, wie sie die Abbildung zeigt, sondern sie sind abgebrochen und recht undeutlich; sie waren sicherlich ebenso lang wie die folgenden Zähne. Die Zahl der Zähne beträgt wie bei Pterygotus bohemicus 14; auch den kleinen ersten Zahn, der meines Erachtens für diese Art charakteristisch ist, habe ich durch Präparieren bloßlegen können. Die Zähne sind etwas spitziger als bei der Abbildung Sempers; dies gilt übrigens auch für die Zähne der Kaufüße, die sich in dem von mir bearbeiteten Material vorfinden. Ich muß aber hervorheben, daß auch die Zähne des Originals, das der Abbildung Sempers zu Grunde lag, etwas spitziger sind, als die Abbildung erkennen läßt.

Scheren. Das Original der auf Taf. IV, Fig. 4, abgebildeten Schere ist Eigentum des böhmischen Landesmuseums. Prof. Novák hatte es für eine neue Art gehalten und mit dem Namen Pterygotus Barrandei belegt. Das vorliegende Stück, das Novák übrigens nicht veröffentlicht hat, gehört aber ohne Zweifel zu Pterygotus bohemicus Barr.

Charakteristisch für die Scheren dieser Art sind die abgestutzten Scherenenden und die großen, schief gestellten, gesägten Zähne des festen Scherengliedes. Einen solchen gesägten Zahn hat schon Barrande als Pterygotus comes beschrieben und abgebildet (Taf. XVIII, Fig. 9). Auch Semper gibt eine Abbildung von einem solchen Zahne (Taf. XII, Fig. 8) und außerdem von einem Scherenteile (Textfig. 6).

Ebenso wie Semper halte ich den Scherenteil, in welchem die gesägten Zähne stehen, für den festen, und zwar infolge der Analogie mit Pterygotus buffaloensis Pohlmann (Additional Notes, Seite 44 und Taf. III, Fig. 3), der ja mit Pterygotus bohemicus in naher Verwandtschaft steht.

Empfohlene Zitierweise:
Fritz Seemann: Beiträge zur Gigantostrakenfauna Böhmens. Wilhelm Braumüller, Wien und Leipzig 1906, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Seemann_Gigantostrakenfauna.djvu/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)