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sind. Der Staat hat dadurch gewisse Vorlesungen gleichsam zu offiziellen gestempelt und die übrigen, die nebenbei gehört werden können, herabgesetzt. Ganz etwas anders ist, wenn der Student bloß auf seine Hand und nach seiner Tradition einen ähnlichen Unterschied zwischen Brotkollegien und den übrigen aufstellte, denn davon konnte sich jeder so viel Dispensationen und Ausnahmen machen, als er Lust hatte. Möge es nur den Professoren selbst niemals vorgeschrieben werden, was und wie sie lesen sollen!

Januar 1805 traf durch Weiß ein unerwartetes Anerbieten ein. Savigny schlug mir vor, ungesäumt nach Paris zu kommen, um ihm dort bei seinen literarischen Arbeiten zu helfen. Wiewohl ich in meinem letzten halben Jahr studierte und gedachte auf Ostern oder im Sommer abzugehen, so war doch die Aussicht einer näheren Verbindung mit Savigny selbst und die Reise nach Frankreich reizend genug, daß ich mich gleich entschied und nichts Eilenderes zu thun hatte, als Briefe an Mutter und Tante abzusenden, die mir ihre Einwilligung erbitten sollten. Wenig Wochen darauf saß ich schon im Postwagen und traf über Mainz, Metz und Chalons Anfangs Febr. glücklich zu Paris ein. Die liebe Mutter war jede Nacht aus dem Bett aufgestanden, um nach dem kalten Wetter zu schauen, was mir später einmal die Schwester erzählte; Frankreich schien ihr ganz aus dem Bereich, und sie hatte nur mit heimlicher Angst ihren Willen zu der Reise gegeben. Ich befand mich aber vortrefflich aufgehoben, und verlebte das Frühjahr und den Sommer auf die angenehmste und lehrreichste Weise. Was ich von Savigny empfieng, überwog bei weitem die Dienste, die ich ihm leisten konnte, durch eine öffentliche Anerkennung derselben in der Vorrede zum ersten Bande der Geschichte des röm. Rechts hat er mir viele Jahre nachher die größte Freude zubereitet. Auch ist ein ununterbrochen fortgesetzter Briefwechsel die Folge unserer näheren Bekanntschaft gewesen. September 1805 wurde die Heimreise angetreten und Ende des Monats traf ich mit Wilhelm, den ich zu Marburg mitgenommen hatte, gesund und vergnügt bei der Mutter in Kassel ein, die unterdessen, damit sie ihr Alter in ihrer Kinder Mitte ruhig verleben könnte, aus Steinau nach Kassel gezogen war.

Um meine Anstellung wurde sich nun gleich noch denselben Winter beworben. Ich wünschte Assessor oder Sekretär bei der Regierung zu werden, aber alles war versperrt, und mit genauer Noth erlangte ich endlich den Akzeß beim Sekretariat des Kriegskollegiums und 100 Rthlr. Gehalt (ohngefähr Jan. 1806). Die viele und geistlose Arbeit wollte mir wenig schmecken, wenn ich sie mit der verglich, die ich ein

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Jacob Grimm: Selbstbiographie. Chr. Garthe, Marburg 1831, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Selbstbiographie_(Jacob_Grimm).pdf/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)