Seite:Sponsel Grünes Gewölbe Band 3.pdf/104

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emaillierte geflügelte weibliche Halbfiguren auf dem Bauch der Vase dienen als Unterbrechung der glatten Formen zur plastischen Belebung.

Wie an dieser Zierschale, so war auch bei dem becherartigen Gefäß auf hohem Schaft auf Tafel 29 unten links der Goldschmied in der Wahl der Formgestaltung für Fuß und Schaft unabhängig. Er hat aber seine Form des Schaftes der kegelartigen Erweiterung des Gefäßes in glücklichster Weise angepaßt, indem er diesen Schaft aus dem runden silbervergoldeten Sockel nach oben breiter werden ließ, bis dann der Boden des Gefäßes in den oberen Rahmen des Schaftes einzupassen war; das Gefäß setzt diese Bewegung in leichter Schweifung nach außen bis zum Rand fort. Die Form des Gefäßes ist nach Ausweis des Inventars durch die Naturform einer „Elensklaue“ gebildet. Wie und wann ein solches Hufstück des in den Ostseeprovinzen früher noch heimischen Elchs hierher gelangte, ist nicht mehr festzustellen. In der Kunstkammer wurden ja schon zu Kurfürst Augusts Zeiten dergleichen seltene Naturerzeugnisse gesammelt. Den Huf hat dann im 17. Jahrhundert ein Bildschnitzer künstlerisch zu beleben gesucht und hat in Relief zwei gelagerte Jäger mit ihrem Hund herausgeschnitzt, den einen in antiker, den andern in zeitgenössischer Tracht. In dem unteren durchbrochenen Teil des Hufs sind silbervergoldete Würmer eingefügt. Die Bildung und Verzierung des emaillierten und mit Diamanten besetzten Schaftes und Sockels scheint erst dem Ende des 17. Jahrhunderts anzugehören. Sie steht mit keiner anderen Bildung von Schaft und Sockel der vielen Zierschalen des Grünen Gewölbes in Zusammenhang, es ist wohl möglich, daß wir ihre selbständig und unbeeinflußt entwickelte Form einem entfernteren Ursprungsort zuzuschreiben haben. Philipp Hainhofer hat in der Beschreibung einer Reise 1613–14 in München als dort gesehen notiert: „Ein gantzer Elentsfueß oben mit silber gefaßt, daraus zue trinckhen, wie manß zue Danzig macht.“ Das Dresdner Stück wird also auch schon als Ziergefäß fertiggestellt von dort hierher gekommen sein.

Ebenso wie dieses Stück nimmt unter den kleinen Ziergefäßen eine Sonderstellung ein, die auf Tafel 28 oben Mitte abgebildete Kanne (oder Krug?); nicht wegen der Seltenheit des dazu verwendeten Naturstoffs, dieser ist edler Serpentin, sondern wegen ihrer ungewöhnlichen bauchigen gedrungenen und dann nach oben verjüngten und mit wagrechtem Angriff versehenen Gestalt. Diese Gestalt des Gefäßes scheint durch die auf der Drehscheibe gewonnenen Formen von Tongefäßen beeinflußt zu sein, die wagrechte aus demselben Stück