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wahrscheinlich umgekehrt verhalten. Dazu kommt, daß auf den verkauften Gründen sich viele kleine Leute angesiedelt haben, von denen es zum mindesten zweifelhaft ist, ob sie die Leistungsfähigkeit der Gemeinden erhöhen. Inzwischen haben sich denn auch die Ansichten der Behörden geändert, und in der Wissenschaft kommt wenigstens auch die Gegenparthei zum Worte: es wird daher das noch vorhandene wenige Grundeigenthum der Gemeinden, mit Ausnahme kleiner Wegeabsplisse, welche nicht verpachtet werden können, auf das Sorgsamste gehütet. So wurde den Gemeinden Rayen und Vluynbusch, welche eine aus dem Königlichen Walde ihnen zugewiesene Abfindungsfläche verkaufen wollten, die Genehmigung versagt, worauf die Verpachtung erfolgte und sehr befriedigende Resultate lieferte. Ebenso wurde der Gemeinde Bliersheim die Erlaubniß zum Verkaufe eines sechs Morgen großen seither als Gemeindeweide benutzten Grundstücks verweigert; die Verpachtung ergab 55 Thlr.

Die obige Übersicht des Gemeindevermögens erfordert einige Erläuterungen. Zunächst ist nämlich zu bemerken, daß diejenigen kleinen Grundstücke, bei welchen keine Erträge angesetzt sind, aus unfruchtbarem Sand- und Haideboden bestehen und vornehmlich zur Kiesgewinnung für die Bedürfnisse des Wegebaues benutzt werden. Ferner muß es auffallen, daß der Grundbesitz von Büderich (die Stadtweide in der Größe von 142 Morgen) nur 72 Thlr. erträgt. Hiermit verhält es sich folgendermaaßen. Wie aus den Kämmereirechnungen der ehemaligen Stadt Büderich hervorgeht, waren ehedem nicht alle Einwohner derselben, sondern nur diejenigen, welche eine Bürgerwohnung besaßen und gleichzeitig Bürger waren, zur Mitbenutzung der Stadtweide berechtigt. Gelangte ein Fremder oder Nichtberechtigter in den Besitz einer Bürgerwohnung, so konnte er das Bürger- und Nutzungsrecht für 100 Reichsthaler clev., welche in die Kämmereikasse flossen, erwerben. Wenn ein Berechtigter starb, so ging das Recht auf die Wittwe oder auf dasjenige Kind über, welches in den Besitz des elterlichen Hauses gelangte, wogegen die übrigen Kinder nur dann zur Ausübung des Nutzungsrechtes zugelassen wurden, wenn sie ebenfalls eine Bürgerwohnung erworben hatten. Verheirathete sich eine solchergestalt berechtigt gewordenen Wittwe oder Tochter mit einem Fremden oder Nichtberechtigten, so verlor sie die Hälfte des Nutzungsrechtes, welche indeß, so lange die Ehefrau lebte, gegen Erlegung von 50 Rchsthlrn. clev. wieder erworben worden konnte. Geschah jedoch der Kauf nicht bei Lebzeiten der Frau, so ging bei ihrem Tode das gesammte Nutzungsrecht für die Familie verloren. Die Heirath eines männlichen Berechtigten mit einer Fremden oder der Tochter eines Nichtberechtigten hatte dagegen für jenen keine nachtheiligen Folgen. Für jede zur Weide getriebene Kuh wurden 45 Stüber an die Kammereikasse gezahlt, wofür diese die Frechtung und den Hirten besorgte. Im Jahre 1826 strengte der Bürgermeister zwar gegen den Willen des Gemeinderaths, jedoch mit Genehmigung der Königlichen Regierung einen Proceß gegen die zur Zeit vorhandenen Weideberechtigten an, indem er das volle unbeschränkte Eigenthum an der Stadtweide für die Gemeinde in Anspruch nahm. Der Königliche Appellhof zu Köln entschied hierauf, daß das Eigenthum der Weide der Gemeinde Büderich zustehe, die Interessenten aber berechtigt seien, ihre Nutzungsrechte geltend zu machen. Über letztere entstand ein weiterer Proceß, der jedoch durch Vergleich vom 26. Juni 1837 dahin geschlichtet wurde, daß die Berechtigten sich verpflichteten, der Communalkasse eine jährliche Abgabe von je 15 Sgr. zu zahlen, die Steuern und sämmtliche Kosten der Weide für Frechtung etc. zu übernehmen und den obenerwähnten Bestimmungen gemäß in eintretenden Fällen das Einkaufsgeld mit 100 resp. 50 Reichsthlrn. clev. zu entrichten. Gegenwärtig sind 144 Berechtigte vorhanden, wornach die jährliche Abgabe 72 Thlr. beträgt. – Wir haben das Sachverhältniß deßhalb ausführlich mitgetheilt, weil dies das einzige im Kreise vorkommende Beispiel eines durch Nutzungsrechte berechtigten Gemeindeglieder beschränkten Gemeindeeigenthums ist. Überhaupt scheinen Fälle dieser Art, welche auf dem Hunsrück und dem Westerwalde fast in jeder Gemeinde vorkommen, hier selten gewesen sein; wo sie aber vorkamen, ist es mit alleiniger Ausnahme des obenerwähnten Falles den Berechtigten gelungen, das volle Eigenthumsrecht zu behaupten. So ist z. B. die sog. Gemeindeweide zu Vynnen, 157 Morgen groß mit 95 Kuhgängen, unbestritten volles gemeinsames Eigenthum von zur Zeit 25 Personen. Ein ähnlicher Weidecomplex von 167 Morgen, das Wardter Bruch, ist im Jahre 1856 ohne Widerspruch der Gemeinde unter 32 Eigenthümer vertheilt worden. Beide Grundstücke sind Theile eines verlandeten Rheinarmes, und dürften ursprünglich Gemeindeeigenthum gewesen sein.

Das Grund- und Capitalvermögen der Gemeinden ist durch Aufzeichnung in Lagerbüchern vor Verdunkelung sicher gestellt, das letztere vorzugsweise an Eingesessene der betreffenden Gemeinden hypothekarisch ausgeliehen.

Neben dem Einkommen aus Grundbesitz und Capitalien sind die Erträge von Gefällen und Gebühren, z. B. Marktstandgeldern, Einzugsgeldern etc. von keiner Erheblichkeit. Nur der Canalzoll zu Rheinberg, über welchen oben im 14. Abschnitte das Nöthige mitgetheilt worden ist, bringt eine bedeutendere Summe auf.