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und von Grimms akzeptierte Überarbeitung Daniel Runges. So daß also Arnims Druck des Machandelbooms und Büschings Druck des Fischers uns als diejenigen Gestalten der Märchen zu gelten haben, welche der Niederschrift des Maler-Dichters Runge am nächsten stehen und uns, soweit es geht, die verlorene (oder noch nicht wieder aufgetauchte) Handschrift Runges ersetzen müssen.

Wie für diese beiden Märchen Runges, stand mir auch für seine übrigen schriftstellerischen Erzeugnisse keine Zeile seiner eigenen Hand zur Seite. Wir sind in dieser Hinsicht allein auf die bekannten beiden, von seinem ältesten Bruder Daniel 1840 herausgegebenen Bände der „Hinterlassenen Schriften“ angewiesen. Nun hat mir aber der Zufall und die Freundlichkeit des Herrn Dr. de Gruyter, der, als jetziger Besitzer der vormaligen Reimerschen Verlagsbuchhandlung in Berlin, mir die Durchsicht des erhaltenen Restes der Verlagspapiere bereitwilligst gestattete, fünf Rungesche Briefe an Georg Andreas Reimer in die Hände gespielt. Sie sind seinerzeit für die Herrichtung der genannten beiden Bände nicht benutzt worden, und so kommt es, daß ihnen einige neue Aufschlüsse entnommen werden können, und zwar in dreifacher Hinsicht: was nämlich Runges Lebensbeziehungen, seine dichterische Art und – mittelbar – die beiden Märchen anbelangt.

In den Hinterlassenen Schriften, auch in den Briefpartien, kommt Reimers Name, soviel ich sehe, überhaupt nicht vor. Die neuen fünf Briefe, aus der Zeit von 1803 bis 1808, setzen aber von Anfang an eine fertige Freundschaft voraus, die nicht erst im literarischen oder geschäftlichen Verkehre zu stande kam. Reimer und Runge waren Altersgenossen und Landsleute: jener 1776 zu Greifswald, dieser 1777 nicht weit davon in Wolgast geboren. Runge kam früh durch seinen Bruder in die buchhändlerischen Kreise Hamburgs hinein, die mit Reimer in Verbindung standen, und dann am Anfang des neuen Jahrhunderts genoß er in Dresden den vertrauten Umgang Ludwig Tiecks, dessen Verhältnis zu Reimer ja bekannt ist. Von den Hamburgern nenne ich Friedrich Perthes, der später die Hinterlassenen Schriften verlegte, um – wozu man auch Görresbriefe 9, 531 vergleichen möge – folgende Stelle über Runge aus einem seiner Briefe an Jacob Grimm anzuschließen (Gotha, 10. März 1840):

Ueberaus große Freude haben Sie mir gemacht durch den glänzenden Beweis Ihrer Theilnahme an den Runge’schen Schriften[1] . . Sehr recht haben Sie, daß

  1. Jacob Grimm war damals in Cassel. Das Verzeichnis der Subskribenten, dem zweiten Bande vorgedruckt, weist 25 Namen aus Cassel auf. Die meisten standen in nachweisbarem Verkehr mit den Brüdern Grimm. Es ist anzunehmen, daß die Casseler Subskribenten durch Grimms gewonnen worden sind.
Empfohlene Zitierweise:
Reinhold Steig: Zu Otto Runges Leben und Schriften. Fromme, Leipzig und Wien 1902, Seite 661. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Runges_Leben_und_Schriften.djvu/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)