Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen | |
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Am wenigsten noch die Sagen 152 und 153, Nr. 152 jedoch mit einer Verschlechterung. Nach Otmar S. 327 war es Bedingung, daß niemand beim Abzug der Zwerge zugegen sein dürfe: „Doch einige Neugierige hatten sich unter der Brücke versteckt, um den Abzug der Zwerge wenigstens zu hören“; wo man bei Grimms „gesteckt“ statt „versteckt“ liest. In Nr. 154 sind verschiedene Stücke zusammengearbeitet. Wie bewußt die Brüder bereits ihren Sagenstil beherrschten und durchführten, sieht man an Nr. 183 und 189: Otmars Vortrag wird gekürzt und zusammengezogen, ein Verfahren, durch das erst die Otmarschen Sagen Rundung und Schluß gewinnen.
Nr. 170 (Der Tannhäuser). Nacherzählung des Liedes „Der Tannhäuser“ im Wunderhorn 1, 86, wo es heißt: Venus-Berg von Kornmann, dann in Prätorii Blocksberg-Verrichtung. Leipzig, 1668. S. 19–25. Die Nacherzählung schließt sich eng an, vermeidet die Hauptmasse der Fragen und Antworten (des Dialogs), schärft die Motive.
Nr. 171 (Der wilde Jäger Hackelberg) aus Wendunmuth 4, S. 342. Die Anlehnung ist eng, unter reichlicher Beibehaltung alter Sprachformen, indes doch auch mit absichtlichen syntaktischen Änderungen. Die Sage gibt: „unten am Ende lag die Zwerch, ein erhabener rother (ich halt Wacken-) Stein“. Man mußte „Zwerch“ wie einen Eigennamen verstehen. Das Original aber hat: „vnten am End dieses Platzs, lag die zwerch ein erhabener roter (ich halt wacken) Stein“. Es ist also in Grimms Sage als sehr wichtig das Komma zu streichen, damit der reine Sinn des Satzes wieder vortrete.
Nr. 176 (Geistermahl) sehr freie Behandlung von Bräuners Curiositäten S. 336–340: etwas Purismus, z. B. Laquay durch „Hof-Diener“ wiedergegeben.
Nr. 184 (Der Herrgottstritt). Das Taschenbuch für häusliche und gesellschaftliche Freuden auf das Jahr 1800, S. 129–136, gibt bekannt: „Der Herrgotts Tritt, auf dem Rosenstein bei Heubach. Eine wirtembergische Volkssage. Auf einem Felsen der Alb, bei Heubach sieht man die Ruinen der Burg Rosenstein. Auf der äussersten Spitze des Felsen war noch vor kurzem, – ob durch Spielwerk der Natur, oder durch Menschentrug? – die deutliche Spur eines Menschenfußes zu sehn, die, einem Befehl der Regierung zu Folge, Vogt Griesinger mit Pulver zersprengen ließ, weil, von der Nachbarschaft aus, abergläubischer Unfug darauf getrieben wurde. Auf dem Berge gegenüber geht die Spur eines Trittes landeinwärts, wie sie auf Rosenstein auswärts geht … Gegenüber im Walde liegt die Kapelle der wunderthätigen Maria vom Beißwang. Links, in einer Kluft, die Teufelsklinge genannt, fließt manchmal trübes Wasser aus
Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Georg Westermann, Braunschweig und Berlin 1916, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Ueber_Grimms_Deutsche_Sagen.djvu/31&oldid=- (Version vom 1.8.2018)