Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen | |
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„es“ als Subjekt, dagegen „alles“ als Objekt nahmen, und für Einführung des Wortes „werfen“ anstatt „fallen“ mag das kurzvoraufliegende Wort „Werfen“ mitbestimmend gewesen sein.
Nr. 504 (Die Maultasch-Schutt). Die Vergleichung der Sage mit der Urstelle in Megisers Chronik von Kärnten 2, 974 ff. sicherte einige Kleinigkeiten, so „genugsame Zeugnis“ für Grimms verdrucktes „genügsame Zeugnis“; „denen vom Adel“ anstatt „denen von Adel“, während sechs Zeilen weiter auch bei Grimms das richtige „vom Adel“ erscheint. Auslassung oder Ersetzung einiger Fremdwörter, wie „Stratem“ oder „Proficiant“, wofür „Lebensmittel“, „Contrafactur“ (Bildnis), findet statt. Bei „Klaus-Rappen“ habe ich mich überzeugt, daß ein norddeutscher Leser nicht, wie er müßte, den Raben (Vogel), sondern den Rappen (Pferd) versteht, wodurch das ganze Verständnis der Sage gefährdet wird; ich habe infolgedessen hinter „Klaus-Rappen“ in Klammern „Raben“ zur Verdeutlichung zugesetzt.
Nr. 508 ff. Eine größere Anzahl Schweizer Sagen entstammen den „Chronika von der löblichen Eidgenoschaft, von Peterman Etterlin“. Grimms zitieren eine Ausgabe vom Jahre 1764, ich benutzte die Ausgabe: Basel 1752. Wiewohl sich Grimms nahe an Etterlins Text halten, so ist doch nicht verkennbar, daß sie die Sagen im Hinblick auf Schillers Wilhelm Teil auswählten, ja sich unbewußt, fast wider Willen, von ihm beeinflussen ließen. In Nr. 510 (Der Landvogt im Bad) erzählt die Frau, daß der Vogt sie zwang, „ihm ein Bad zu richten“. Etterlin hat nur den einfachen Ausdruck: „ihm ein Bad zu machen“.
Bei Nr. 511 (Der Bund im Rütli) bemerken wir durch Vergleichung, daß Etterlin S. 26 ff. das „Rütli“ gar nicht in seinem Texte hat. Grimms Sage schließt: „Wann sie aber ihre Anschläge tun wollten, fuhren sie an den Mittenstein [Mythenstein], an ein Ende, heißt im Bettlin, da tageten sie zusammen im Rütli.“ Etterlin hat: „im Betlin“, das ich wiederherstellte, der Zusatz „da … Rütli“ rührt allein von Grimms her; es war ihnen also ihrem Gefühl nach unmöglich, der Szene einen anderen Namen als den durch Schillers Tell bekannten zu geben. In Nr. 512 (Wilhelm Tell) heißt es bei Grimms: „wer der wäre, der da vorüberginge, sollte sich dem Hut neigen“; es muß auffallen, daß sie Etterlins vollen Ausdruck: „sollte dem Hut Reverenz tun und sich dem Hut neigen“ nicht beibehalten haben. Der Landvogt Grißler (Geßler) sagt bei Grimms zu Tell: „aber an ein Ende will ich dich legen, da dich Sonne und Mond nimmer bescheinen“, offenbar eine Schillersche Reminiszenz, da Etterlin bietet: „legen, das du weder sunn noch mon niemer mer sehen solt“. Ziemlich frei ist Nr. 613 (Der Knabe erzählt’s dem Ofen) nach Etterlin S. 42. 43 erzählt; der Ausdruck, die Gesellen „schnarzten ihn an“, ist bereits in der
Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Georg Westermann, Braunschweig und Berlin 1916, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Ueber_Grimms_Deutsche_Sagen.djvu/47&oldid=- (Version vom 1.8.2018)