Jonathan Swift, übersetzt von Johann Heinrich Waser: Mährgen von der Tonne | |
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Dieses wird also wol ein unwidersprechlicher Beweis bleiben, daß unsere Neuern sich auf die Unendlichkeit der Materie als einer unerschöpflichen Quelle nicht zu verlassen haben. Was ist daher anders übrig, als daß wir unsere lezte Zuflucht zu grossen Registern, und kleinen Compendiis nehmen? Man muß einen Haufen Stellen sammeln, und sie nach alphabetischer Ordnung in ein Buch eintragen. Und obschon man zu diesem Ende eben die Autores selbst nicht lang nachschlagen darf, so muß man doch die Criticos, Commentatores und Lexica desto fleißiger zu Rath ziehen. Vornemlich aber muß man sich an die sinnreichen Sammlungen glänzender Stellen, wiziger Blümchen, und besonderer Merkwürdigkeiten halten, welche einige die Siebe und Beutel der Gelehrsamkeit nennen; wiewol nicht ausgemachet ist, ob sie Kleyen oder Mehl von sich geben, und folglich ob wir dasjenige was durchgehet, oder das so zurük bleibet, höher zu schäzen haben.
Nach dieser Methode kann einer in wenig Wochen ein Scribent werden, und die wichtigsten und weitläufigsten Materien abhandeln, wenn nur das Excerpten-Buch voll ist, sey der Kopf gleich noch so leer. Und wenn ihr einem solchen Scribenten bloß die Nebenumstände in Ansehung der Ordnung, des Styls, der Grammatik und der Erfindung schenket, und ihm anbey das allgemeine Privilegium zugestehet, andere auszuschreiben, und Ausschweifungen zu machen wo er die Gelegenheit dazu siehet, so wird er weiter keine Ingredienzen in Verfertigung eines Buchs verlangen,
Jonathan Swift, übersetzt von Johann Heinrich Waser: Mährgen von der Tonne. [recte: Orell in Zürich], Hamburg und Leipzig 1758, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Swift-Maehrgen_von_der_Tonne-1758.djvu/193&oldid=- (Version vom 1.8.2018)