Jonathan Swift, übersetzt von Johann Heinrich Waser: Mährgen von der Tonne | |
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Beyfall geben, massen es in der Billigkeit gegründet ist; denn ich kann eben nicht sehen, warum wir unsere Nachkommen mit wizigen Einfällen versehen sollen, nachdem unsere Vorfahren uns auch keine hinterlassen haben. Und dadurch lege ich nicht allein meine eigene Meinung an den Tag, sondern auch die Meinung der allerneuesten, und folglich die richtigste. Inzwischen da mir sehr angelegen ist, daß alle wolqualificirte Personen, welche sich des Geschmakes, der in diesem Monat August des iztlaufenden 1697sten Jahres regieret, bemeistert haben, bis auf den Grund alles des Erhabenen, so in meinem Werke anzutrefen ist, heruntersteigen mögen, so finde ich nöthig, nachfolgende Regel auszusezen: Jeder Leser, der die Gedanken eines Scribenten recht vollkommen einzusehen verlanget, kann wol nicht besser thun, als daß er sich selbst in diejenigen Umstände und Posituren seze, worinn der Scribent sich befunden, da gerade diese oder jene wichtige Stelle aus seiner Feder geflossen; denn dieses wird eine ungemeine Gleichheit und Uebereinstimmung der Gedanken in dem Verstande des Lesers und des Scribenten befodern. Und damit ich dem fleissigen Leser in einer so delicaten Materie, als viel die Kürze erlauben mag, an die Hand gehe, so erinnere ich mich noch, daß ich die sinnreichesten Stüke meines Werkes oben auf dem Dachboden im Bette erstudiret habe. Andere mal fand ich, (aus Ursachen, die mir selbst am besten bekannt sind) für gut, meine Erfindungskraft durch Hunger zu schärfen; überhaupt aber ist, das ganze Werk unter einem
Jonathan Swift, übersetzt von Johann Heinrich Waser: Mährgen von der Tonne. [recte: Orell in Zürich], Hamburg und Leipzig 1758, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Swift-Maehrgen_von_der_Tonne-1758.djvu/62&oldid=- (Version vom 29.9.2019)