Seite:Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Von Alfred Jensen (1916).djvu/177

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In einigen dieser poetischen Erzählungen macht sich mitunter doch ein sentimentales romantisches Element bemerkbar, das freilich Schewtschenko fremd ist. Die in russischer Sprache geschriebene Erzählung „Die Blinde“ schildert, wie Oksana, die Tochter einer blinden, von einem Herrn verführten Mutter in das Haus ihres Vaters aufgenommen wird. Dieser läßt den Kosaken erschießen, der Oksana liebt. Sie wird verrückt und gibt sich selbst den Flammentod.

Die Eule“ (Ssowa) handelt von einer Mutter und ihrem Sohn, dem der Kuckuck ein langes, glückliches Leben vorhergesagt hat. Als die Mutter verwitwet ward, mußte sie Tag und Nacht dienen, sammelte aber Geld, um dem Kinde einen Rock zu kaufen, damit es zur Schule gehn könne. Es wächst auf und wird Soldat. Niemals bekommt die Mutter von ihm Nachricht; sie harrt vergeblich seiner Heimkehr und verliert schließlich den Verstand … den Dorfkindern zum Gelächter, als „Eule“ bespöttelt.

Den nationalen Boden verläßt Schewtschenko jedoch auch in diesen romantischen Erzeugnissen nicht. In der „Prinzessin“ (Knjazhna) (1847) findet die von ihrem leichtsinnigen Gemahl vernachlässigte Fürstin einen Trost in der Mutterschaft. Ihre kleine Tochter gedeiht „wie ein Äpfelchen im Garten“. Die Mutter kauft ihr in der Stadt Romny eine Fibel mit Holzschnitten und wacht „wie eine Taube“ über sie. Nach dem Tode der Mutter wird die Prinzessin von guten Leuten in Schutz genommen und in eine Lehranstalt zu Kiew gebracht. Der Fürst aber setzt sein ausschweifendes Leben fort, obgleich Hungersnot im Dorfe wütet. Um den Notleidenden zu helfen, kehrt die Tochter zurück. Eines Nachts, als sie traurig in ihrem Zimmer wacht, dringt der betrunkene Vater herein, um sie zu schänden. Man hört Geschrei, Feuer bricht aus und man hält die Prinzessin für verloren. Sie ist aber geflohn und wird Nonne in Kiew, um die Sünden des Vaters zu sühnen. Erschöpft stirbt sie im Kloster zu Tschyhyryn, wo sie ihr Geheimnis enthüllt.