Seite:Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Von Alfred Jensen (1916).djvu/29

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Hausvater trieb Ackerbau, diente als Fuhrmann und Stellmacher, verdiente aber wenig, denn es war die ärgste Periode der Leibeigenschaft, und die Mutter mußte Feldarbeiten verrichten. Der kleine Taras wuchs also vereinsamt, ohne Pflege auf; seine um 8 Jahre ältere Schwester Kateryna war statt der Mutter um ihn herum. Noch schlimmer erging es ihm nach dem Tode der Mutter, 1823. Sie hinterließ fünf Kinder, darunter ein zweijähriges Knäblein. In dem gleichen Jahre war auch die unentbehrliche Kateryna verheiratet worden. Der Vater, der 1825 starb, hatte sich indessen wieder verehelicht mit einer Witwe, die drei Kinder als Mitgift ins Haus brachte und zanksüchtig war, so daß es oft zu heftigen Auftritten kam.

Im Alter von acht Jahren begann Taras’ dürftiger Unterricht in der einzigen Volksschule in Kyryliwka, deren alter Lehrer bald aus dem Dorfe zog und durch den Kirchensänger (djak) Buhorskyj ersetzt wurde, der ein notorischer Saufbold war. Über diese traurige Lehrzeit schrieb Schewtschenko in der schon erwähnten Selbstbiographie: Es stehn solche Schüler zum Kantor in dem gleichen Verhältnisse wie Kinder, die von den Eltern oder von der Behörde zu Handwerkern in die Lehre gegeben werden, zu ihren Meistern. Das Recht des Meisters über sie hat keine bestimmten Grenzen, – sie sind völlig seine Leibeigenen. Alle häuslichen Arbeiten und die Erfüllung aller möglichen Gelüste des Hausherrn selbst und seiner Hausleute lasten auf ihnen.“

Während der zwei Schuljahre brachte es Taras doch so weit, daß er mit der Fibel, dem Rechenbuch und dem Psalter fertig wurde. Ja es kam sogar dazu, daß er statt des „djak“ den Psalter für entschlafene Bauernseelen lesen durfte und dafür die zehnte Kopeke erhielt. Schließlich konnte er das alles nicht länger ertragen … er riß aus, jedoch nicht ohne an seinem strengen Lehrer für die ihm angetane Unbill Rache zu nehmen. „Als ich“, schrieb Schewtschenko, „ihn eines Tages in bewußtloser Trunkenheit traf, wandte ich gegen ihn seine eigene Waffe, die Rute, an und zahlte ihm, soweit meine kindlichen Kräfte es erlaubten,