angebracht: „Lernet die Wahrheit kennen und sie wird euch befreien!“
Kostomarow erließ auch besondere Vorschriften für „die ukrainischen Brüder“ gleichwie für die „russischen und polnischen Brüder“. Den Zukunftsstaat stellte er sich folgendermaßen vor: Rußland sollte in nicht weniger als vierzehn Staaten geteilt werden: in einen nördlichen, einen nordwestlichen und einen südwestlichen; in einen obern und einen untern; in zwei Wolgastaaten und zwei ukrainische; in einen mittlern, zwei südliche, zwei sibirische und einen kaukasischen. Weißruthenien, Polen, Böhmen, Mähren, Serbien und Bulgarien sollten noch hinzugefügt werden. Kiew war als Zentrum dieser slawischen Macht gedacht, mit einer auf vier Jahre zu wählenden Zentralbehörde, die sich aus einem Präsidenten und zwei Ministern (des Innern und des Äußern) zusammenzusetzen hatte. Ein gesamtslawischer Reichstag (slavjanskyj sobor) sollte jedes vierte Jahr einberufen werden; die einzelnen Landtage (sejm) hingegen sollten jährlich zusammentreten. Zum Schutze der Bundesverfassung bedürfte es eines kleinern stehenden Heeres, doch sollte jeder Staat seine eigene Miliz haben. Grundsätzlich sollte jedoch jedes gewaltsame Mittel zur Erreichung der Ziele vermieden und der richtige Zeitpunkt in Ruhe abgewartet werden. Nach dem Vorbilde der „Bücher des polnischen Volkes“ von Mickiewicz verfaßte Kostomarow auch die ebenfalls in apokalyptischem Stil abgefaßten „Bücher des ukrainischen Volkes“ – ein interessantes Schriftstück, welches unter dem Titel „Das Gesetz Gottes“ (Sakon Bozhyj ) im Archiv des Polizeidepartements der „dritten Abteilung“ in Petersburg aufbewahrt ist. Wie Mickiewicz in prophetischen Worten sein Vaterland Polen verherrlicht, so idealisiert Kostomarow die Ukraine. Einige hiefür bezeichnende Auszüge[1] dürften hier am Platze sein:
„Und die Ukraine ging zugrunde, doch es sah nur so aus. Sie ging nicht verloren, sie wollte nur nichts von einem
- ↑ Aus einem Referat von W. Semewskij in der Zeitschrift: „Russkoje bogatstwo“ 1911.
Alfred Anton Jensen: Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Adolf Holzhausen, Wien 1916, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Taras_Schewtschenko._Ein_ukrainisches_Dichterleben._Von_Alfred_Jensen_(1916).djvu/43&oldid=- (Version vom 16.9.2022)