Schewtschenko-Abteilung eingerichtet wurde: „Ich will bäuerlicher Dichter werden; mehr verlange ich nicht.“
Schewtschenko verfaßte allerdings schon in Petersburg einige Gedichte in russischer Sprache, damit die „Moskowiter nicht sagen könnten, daß ich ihre Sprache nicht beherrsche“. In Prosa bediente er sich sogar vorwiegend der russischen Sprache (einige Novellen, der Roman „Künstler“ und das „Tagebuch“). Während der Verbannung, in welcher er seine ukrainischen Manuskripte vor den Spähern verstecken mußte, war er meistens genötigt, russisch zu schreiben, und er gewöhnte sich so gewissermaßen daran. „Gerne möchte ich“ – heißt es in einem Brief aus der Festungszeit – „auf Dein Schreiben in der gleichen, meinem Herzen so lieben (ukrainischen) Sprache antworten, aber ich bin so verworren, daß ich mich vor der Muttersprache beinah fürchte.“
Andrerseits aber hat man in Rußland die literarische Anleihe bedeutend übertrieben, die Schewtschenko in der großrussischen Literatur machte. In seinem Tagebuch vom Jahre 1857 erwähnte er, daß er den Entwurf zu einem morgenländischen Gedicht „Satrap und Derwisch“ nach dem Muster von Puschkins „Andzhelo“ gemacht habe. „Aber ich bedaure“, fügt er hinzu, „daß ich die russische Sprache nicht so gut beherrsche, um es russisch schreiben zu können.“ Ebenso hat man den Einfluß der russischen Literatur auf seine Dichtungen überschätzt; und wenn Kulisch behauptet, Schewtschenko habe „Puschkin auswendig gewußt“, so muß dies mit Vorbehalt aufgenommen werden. Dem Dichter des „Poltawa“ und des „Kupfernen Reiters“ gegenüber verhielt sich Schewtschenko kühl und er stand dem russischen Byronismus gänzlich fern. Weit mehr fühlte er sich zu Mickiewicz und zur polnischen Ukrainerschule hingezogen. Mit der Balladendichtung Zhukowskijs und Kosloffs haben die Erstlinge seiner lyrischen Epik Berührungspunkte und der Dichter der „Swjetlana“, Schewtschenkos edler Befreier aus der Leibeigenschaft, dürfte wohl anregend auf ihn gewirkt haben. Von einer direkten Nachahmung kann aber gar nicht die Rede sein. Beide Dichter lebten gleichzeitig in
Alfred Anton Jensen: Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Adolf Holzhausen, Wien 1916, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Taras_Schewtschenko._Ein_ukrainisches_Dichterleben._Von_Alfred_Jensen_(1916).djvu/82&oldid=- (Version vom 25.6.2018)