hätte. „Da hast Du ja ganz gemüthlich auf dem Galgenberge gesessen“ lachte mein Vater. Mir aber war, als lege sich mir schon der Strick um den Hals und ich bat von Tisch aufstehen zu dürfen.
Um eben diese Zeit kam ich in die Klippschule, was nur in der Ordnung war, denn ich ging in mein siebentes Jahr. Der Lehrer, der Gerber hieß, machte von seinem Namen weiter keinen Gebrauch und war überhaupt sehr gut. Ich zeigte mich auch gelehrig und machte Fortschritte; meine Mutter hielt es aber doch für ihre Pflicht, hier und da, namentlich im Lesen, nachzuhelfen und so stand ich jeden Nachmittag an ihrem kleinen Nähtisch und las ihr aus dem „Brandenburgischen Kinderfreund“, einem guten Buche mit nur leider furchtbaren Bildern, allerlei kleine Geschichtchen vor. Ich machte das wahrscheinlich ganz erträglich, denn gut lesen und schreiben können, beiläufig etwas im Leben sehr Wichtiges, ist eine Art Erbgut in der Familie; meine Mutter war aber nicht leicht zufrieden zu stellen und ging außerdem davon aus, daß loben und anerkennen den Charakter verdürbe, was ich übrigens auch heute noch nicht für richtig halte. Bei dem kleinsten Fehler zeigte sie die „rasche Hand“, über die sie überhaupt verfügte. Von Laune war dabei keine Rede, sie verfuhr vielmehr lediglich nach dem
Theodor Fontane: Meine Kinderjahre. Berlin: F. Fontane & Co., 1894, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Fontane_%E2%80%93_Meine_Kinderjahre.djvu/036&oldid=- (Version vom 1.8.2018)