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überhaupt rohe Menschen gewesen wären. Nur der zu jener Zeit, zumal wenn die Weinlaune hinzukam, sich gern geltend machende gesellschaftliche Uebermuth, glaubte sich dergleichen erlauben zu dürfen. In reichen und vornehmen Häusern auf dem Lande ging man gelegentlich noch um einen guten Schritt weiter, worüber ich anderen Orts ausführlicher berichtet habe.

Zwanzig Familien also bildeten die Honoratiorenschaft der Stadt und aus der Gesammtheit derselben möchte ich in diesem und den zwei folgenden Kapiteln eine bestimmte Zahl von Personen dem Leser vorstellen dürfen.


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Da war zunächst der alte Landrath von Flemming, damals ein Funfziger, nach Geburt und Stellung der erste Mann der Stadt und vielleicht auch der beste. Guter alter Adelstypus. Sein Adelsgefühl war von jener eigenthümlichen, glücklicherweise häufiger vorkommenden Art, die nie verletzt, so wie es Fromme giebt, deren Frömmigkeit nie bedrückt. Jene Adligen und diese Frommen haben eben nur das Bewußtsein eines inneren Vermögens, still, ohne jede Provokation. Der alte Flemming gehörte zu diesen Bevorzugten; er war

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Theodor Fontane: Meine Kinderjahre. Berlin: F. Fontane & Co., 1894, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Fontane_%E2%80%93_Meine_Kinderjahre.djvu/098&oldid=- (Version vom 1.8.2018)