Angesicht zu Angesicht kennen gelernt hatte. Das hing so zusammen. Am Bollwerk lag ein besonders großes und schönes Schiff, das, vorn am Gallion, statt eines Namens einfach die Bezeichnung „der neunte März“ trug. Ich fragte, wie das käme und hörte nun, was sofort einen großen Eindruck auf mich machte, daß der 9. März der Geburtstag des alten Krause sei. Bald danach sah ich diesen zum ersten Mal, als er, am Anlegeplatz des Stettiner Dampfschiffs, einen Gast empfing. Er war, trotz seiner beinah 70, noch in glänzender Verfassung, so daß ich sagen darf, auf meinem Lebenswege niemandem begegnet zu sein, der mir die dominirenden Gestalten des vorigen Jahrhunderts so veranschaulicht hätte, wie er. Die Männer von heute wirken wie blaß daneben, weil ihnen das fehlt, was sich in der Gegenwart nicht gleich glücklich entwickeln kann: ein ungeheures Selbstgefühl. Wo kam nun dies Hochmaß her? Man sollte füglich glauben, daß es in Zeiten, in denen der unter Umständen auch die höchsten Würdenträger des Staats nicht schonende fridericianische Krückstock noch immer umging, an diesem Selbstgefühl hätte fehlen müssen, aber es lag umgekehrt und mußte so liegen, denn gerade so selbstherrlich wie der Fürst des Landes, so selbstherrlich war jeder in seinem Kreise. Man
Theodor Fontane: Meine Kinderjahre. Berlin: F. Fontane & Co., 1894, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Fontane_%E2%80%93_Meine_Kinderjahre.djvu/126&oldid=- (Version vom 1.8.2018)