mir unter anderen Unliebsamkeiten auch die Verpflichtung ob, jeden Sonnabend, einen in einem hölzernen dorischen Tempel aufgebauten Theil der Apotheke, der den lächerlichen Namen corpus chemicum führte, mit einem großen nassen Handtuche wieder sauber putzen zu müssen. Eine vollkommene Waschfrauenarbeit. Aber es störte mich sehr wenig, weil es sich nicht selten so traf, daß gerad an diesen Sonnabenden irgend eine Ballade von mir, sagen wir „Pizarros Tod“ oder „Simson im Tempel der Philister“ in dem damals in der Adlerstraße erscheinenden „Berliner Figaro“ gestanden hatte. Und daß ich mir nun sagen durfte, dieser „Simson im Tempel der Philister“ rührt von Dir her, trägt Deinen Namen, gab mir ein so kolossales Selbstbewußtsein, daß nicht blos das corpus chemicum, sondern mit ihm auch die ganze Principalität sammt allen Provisoren und Gehülfen als etwas tief Inferiores unter mir verschwand. Ich nehme an, so stand es auch mit Dr. Lau, der in dem Bewußtsein „ich bin ein Schüler von Schleiermacher und besitze nicht nur den west-östlichen Divan, sondern kann ihn sogar auswendig,“ über alle Misere des Lebens weggekommen war und allem Anscheine nach auch jetzt wieder, nach seinem Eintreffen in Swinemünde – dessen „Consuln“ ihm, als einem guten
Theodor Fontane: Meine Kinderjahre. Berlin: F. Fontane & Co., 1894, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Fontane_%E2%80%93_Meine_Kinderjahre.djvu/232&oldid=- (Version vom 1.8.2018)