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An eine Schwester, die zur Leitung einer Haushaltungsschule berufen ist.
Neuendettelsau, 2. Dezember 1907

 Liebe Schwester, ich meine, Du sollst Dich freuen auf Deinen neuen Beruf. Sieh, in diesem Alter bildet sich bei den Mädchen der Charakter: ihnen in dieser Zeit nahe sein und sie beeinflussen, ihnen eine Richtung fürs Leben geben, das ist eine große, ernste, schöne Aufgabe. Die erfasse nur mit der ganzen Liebe Deines Herzens und lege ihre Lösung, wenn auch in aller Schwachheit, zu den Füßen dessen nieder, der für uns Mensch geworden ist.

 Grüße die andern Schwestern.

In herzlicher Liebe Deine Therese.


An die Reichenhaller Schwestern.
Neuendettelsau, 15. Mai 1908

 Mein liebes Reichenhall, ich danke für die schönen blauen Blumen. Sie zierten bei der Generalkonferenz am 13. Mai den festlichen Tisch. Heute sollte ja noch eine dritte Schwester bei Euch einziehen. Aber so geschwind geht das nicht. Wir tun uns jetzt gerade sehr schwer, aber Reichenhall steht schon sehr im Vordergrund unserer Überlegungen. Wir durften den 13. Mai unter reichem Blütenschmuck im Frühlingssonnenschein begehen. Herr Rektor predigte über den Text: „Ringet darnach, daß ihr stille seid und das Eure schaffet mit euren eigenen Händen.“ Er sagte unter anderem, Dettelsau sei in den letzten Jahren „weitläufiger“ geworden als früher. Das ist allerdings geschehen, und mancherlei hat dazu beigetragen, vor allem Herr Rektor selbst, der uns immer wieder den Gedanken in die Seele prägt: Wir sollen nicht die Welt als eine verlorene Masse ansehen, sondern alles aufbieten, um zur Rettung der Seelen zu helfen. Herr Rektor hatte ja auch als Thema der Predigt: „Nicht in die Weite, aber für die Weite.“ Ja, es hat aber auch zur Weitläufigkeit beigetragen, daß jetzt in Dettelsau ganz andere Verkehrsverhältnisse sind: Eisenbahn, Telephon, Telegraph, etc.

 Wir waren dann im Hospizsaal, und Herr Rektor gab einen Überblick über das letzte Jahr. Wie groß und mannigfaltig ist unsere Arbeit, und wie hat uns Gott immer wieder durchgeholfen! Vorigen Sonntag brachte mir Schwester Wilhelmine

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Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/172&oldid=- (Version vom 24.10.2016)